Ausgepowert

Kommen Sie öfter von einem geistig anstrengenden Arbeitstag nach Hause und haben überhaupt keine Lust mehr auf Bewegung? Und das obwohl Sie am morgen motiviert und fest entschlossen waren, heute abend noch eine oder zwei Übungseinheiten im Studio zu absolvieren? Oder haben Sie sich jemals vorgenommen, nach den Zahlen der letzten Woche und den fälligen Telefongesprächen noch joggen zu gehen, nur um festzustellen, dass Sie danach einfach keine Lust mehr darauf haben?

Wir haben nicht unendlich Willenskraft zur Verfügung. Genauer gesagt ist unsere Willenskraft eine begrenzte Ressource, die irgendwann leer ist – wie ein Akku.

Das belegt eine Studie der Psychologin Kathleen Martin Ginis von der McMasters University in Kanada. Sie ließ ihre Versuchspersonen wiederholt den sogenannten ‚Stroop-Test‘ über längere Zeit bearbeiten. Eine faszinierende und witzige, aber gleichzeitig kognitiv fordernde Aufgabe, bei der Farbwörter wie blau oder rot in verschiedenen Farben geschrieben sind. Die Schwierigkeit besteht darin, die Farben der Wörter zu benennen, ohne die Farbwörter auszusprechen (Beispiel: rot blau grün weiss). Sie können eine Kurzfassung des Tests z.B. HIER selbst machen. Der Test ist übrigens völlig ungefährlich und in seiner Kurzfassung eher faszinierend als ermüdend.

„Nachdem wir diese mentale Aufgabe dazu benutzt hatten, die Selbstregulierungskapazität [sprich: die Willenskraft, d.Red.] der Teilnehmer zu schwächen, schafften sie es nicht mehr, das gleiche Sportprogramm durchzuziehen wie ihre Kollegen, die den Test nicht über längere Zeit bearbeitet hatten“ stellt Ginis fest. Je mehr Anstrengung sie in die Tests steckten, desto eher sagten sie Trainingstermine während der 8-wöchigen Studiendauer ab.

„Wir haben einfach ein begrenztes Maß an Willenskraft“ schließt Ginis, schiebt jedoch die gute Nachricht gleich nach:
„Ja, es gibt Strategien, geschwächte Willenskraft zu bekämpfen. Musik hören zum Beispiel oder – wie wir in einer unserer Studien gezeigt haben – feste Trainingspläne. Mit anderen Worten: Man muss sich selbst dazu verpflichten, zu trainieren. Unabhängig davon, was man tagsüber so tut einen festen Trainingstermin setzen und wahrnehmen.“

Unser Wille ist trainierbar.
Ginis sät sogar noch mehr Hoffnung: Wir können unsere Selbstregulierungskapazität dauerhaft erhöhen, wenn wir uns Trainingspläne machen. Oder uns zwingen, jede Nacht noch eine halbe Stunde extra zu lernen. Oder die letzte Viertelstunde Mittagspause zu kürzen, damit wir früher nach Hause gehen können. Oder immer wieder dem zweiten Stück Kuchen entsagen. „Willenskraft ist wie ein Muskel: Sie muss gefordert werden, damit sie gefördert wird“ behauptet Ginis.


gepostet i.A. von Dr Stephan Lermer
Quelle:
McMaster University (2009, September 25). Rough Day At Work? You Won’t Feel Like Exercising.