Spezial zu Partnerschaft und Ehe: Konfliktstile: Gefahren und Chancen für die Partnerschaft

Der Umgang mit Konflikten ist ein entscheidender Faktor für die Entwicklung einer Partnerschaft. Der richtige Umgang mit ihnen kann zum erfreulichen Gelingen, der falsche jedoch unweigerlich zum fatalen Scheitern führen. Wie geht man nun mit Konflikten richtig um? Psychologische Studien offfenbaren, dass diese Frage stets individuell und zusätzlich nur zusammen mit dem/der PartnerIn beantwortbar ist.

Keine zwei Menschen ticken zu hundert Prozent gleich. Beim Zusammenleben sind daher Meinungsverschiedenheiten, kleinere und größere Reibereien sowie Streit geradezu unvermeidbar. Selbst dann, wenn man die gleichen Ziele, Werte und Träume teilt. Das Aufkommen eines Konflikts ist nicht gleichbedeutend mit dem drohenden Ende einer Partnerschaft – hier ist jedoch entscheidend, wie beide Partner damit umgehen. Dafür gibt es keine Patentlösung, die für alle gelten könnte. Psychologen der Universität Washington untersuchten in Langzeitstudien verschiedene Konfliktstile und deren Auswirkungen auf die Partnerschaft.

 

Drei markante Stile, wie Konflikte ausgetragen werden: Validators, Volatiles und Avoiders

Die Forschungsarbeit von Dr. Janice Driver und ihren Kollegen der Universität in Washington, in der über 300 Paare regelmäßig befragt wurden, ergab zunächst drei Stile, in denen Konflikte innerhalb von Partnerschaften ausgetragen werden. Sie beschreiben sie als Validators, Volatiles und Avoiders.

Bei Validators (engl. to validate: anerkennen, bestätigen, für gültig erklären) tauchen Meinungsverschiedenheiten grundsätzlich selten auf. Wenn beide ein Konfliktpotential erkennen, sprechen sie es offen und respektvoll an und sind dann schnell kompromissbereit. Sie akzeptieren die Emotionen und Ansichten ihres Partners, engen einander nicht ein und zeichnen sich durch starken gegenseitigen Respekt aus.

Bei Volatiles (engl. volatile: explosiv, brisant, verfliegend) dagegen geht es oft heiß her. Sie tragen ihre Konflikte mit Eifer aus, engagieren sich stark und leidenschaftlich. Diese Leidenschaftlichkeit zeigt sich aber nicht nur in Konfliktsituationen: Sie sind damit auch in der Lage,  ihre Wärme und Zuneigung füreinander sehr deutlich auszudrücken. So schaffen sie es, die negativen Emotionen, die während eines Konflikts entstehen, im Alltag wieder auszugleichen. Für sie ist es vorrangig wichtig, in jeder Situation deutliche Worte zu finden, und das erwarten sie auch von ihrem/r PartnerIn. So begegnen sie einander – auch während eines heftigen Streits – konsequent auf Augenhöhe.

Avoiders (engl. to avoid: vermeiden, umgehen, sich enthalten) jedoch vermeiden Konflikte, wo immer es möglich ist. Sie minimieren ihre Probleme, betonen positive Aspekte und blenden negative aus, um ja keine Konflikte entstehen zu lassen und den Alltag möglichst harmonisch zu gestalten. Entstehen dennoch Probleme, die sich nicht ad hoc lösen lassen, dann einigen sie sich lieber darauf, sich nicht einigen zu können, statt sich zu streiten („let’s agree to disagree“).

 

Der richtige Umgang mit Konflikten: Die gleiche Augenhöhe ist wichtig

Betrachtet man die drei Konfliktstile, die Dr. Driver und ihre Kollegen beschreiben, findet man sich gar selbst in einem davon wieder, stellt sich die Frage, welcher dieser Stile denn nun der Beste sei. Andersherum betrachtet: Welcher Stil mag für eine Beziehung am wenigstens förderlich sein?

Dr. Driver und ihre Kollegen gingen zunächst von der Annahme aus, dass vor allem Avoiders, Menschen also, die Konflikte möglichst immer vermeiden möchten, im Alltag schlechte Chancen haben, ihre Partnerschaft dauerhaft glücklich zu gestalten. So waren die Forscher sehr überrascht, als ihre Ergebnisse diese Vermutung nicht bestätigten. Im Gegenteil: Keiner der beschriebenen Konfliktstile zeigte sich als besonders vorteilhaft oder ungünstig (!).

Nicht der Konfliktstil selbst entscheidet also über Erfolg oder Scheitern einer Partnerschaft, sondern die Tatsache, dass die gleiche Art, mit Konflikten umzugehen, für beide Partner funktioniert. Nur so sind Begegnungen auf Augenhöhe möglich. Genau das ist aber entscheidend. Eine Person, die Konflikte lieber ganz vermeidet, wird mit jemandem, der gern leidenschaftlich streitet, kaum zurecht kommen. Jemand, der das Bedürfnis hat, Unstimmigkeiten sofort anzusprechen, wird Vermeidungsverhalten seines/r PartnerIn womöglich als Desinteresse missinterpretieren. Ein Mensch, der all seine Gefühle leidenschaftlich auszudrücken gewohnt ist, wird in jemandem, der sofort versucht, Kompromisse zu finden, kein adäquates Gegenüber finden.

Fazit: Der gleiche Konfliktstil muss also für beide Partner passen.

 

Die Forschungsergebnisse, die in dem Blog-Spezial zu Ehe und Partnerschaft präsentiert wurden, lassen deutlich erkennen: Weder die Anzahl der Konflikte noch der Konfliktstil bringt eine Beziehung zum Scheitern. Vielmehr ist es die Art, wie beide mit Konflikten umgehen. Und jede Form von Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten muss anschließend durch positive Interaktionen im Alltag wieder ausgeglichen werden. Gerade der gemeinsame Alltag zählt: Respekt und Zuneigung, die beide im alltäglichen Umgang miteinander zeigen, sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren einer Partnerschaft. Nur damit kann eine Partnerschaft auf Dauer glücklich gestaltet werden.

 

 

Quellen:
Driver, J., Tabares, A., Shapiro, A., Nahm, E. Y., Gottman, J. (2003). Interactional patterns in marital success and failure: Gottman laboratory studies. In F. Walsh (Ed.) Normal family process: Growing diversity and complexity (3rd ed., pp. 493-513) New York: Guilford Press.

Spezial zu Partnerschaft und Ehe: Die Gefahren des Alltags

In Respekt und Zuneigung während des alltäglichen Umgangs miteinander scheint tatsächlich das Geheimnis einer dauerhaft glücklichen Paarbeziehung zu liegen. Das bestätigen viele wissenschaftliche Untersuchungen unabhängig voneinander. Doch was lässt dennoch viele Paare im Alltag Schiffbruch erleiden? Aus Studien, in denen Ehepaare über lange Zeit beobachtet und befragt wurden, können nun spezifische Verhaltensweisen abgeleitet werden, die ein Scheitern der Ehe vorhersagen.

Trennung und Scheidung sind schon lange keine Seltenheit mehr: Fast die Hälfte der in Deutschland geschlossenen Ehen werden bereits nach wenigen Jahren wieder geschieden. Fragt man nach den Gründen, hört man oft die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Sicher: materielle Abhängigkeit und Ansehensverlust zwingen heute immer seltener dazu, deshalb zusammen zu bleiben. Wurden Ehen aber früher aus diesen Gründen aufrecht erhalten, bedeutete das noch lange nicht, dass die Partner auch glücklich miteinander waren. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sind die Partner noch davon überzeugt, dass ihre Beziehung Zukunft haben wird. Wo aber liegt der Unterschied zwischen Paaren, die es schaffen, dauerhaft miteinander glücklich zu sein und solchen, die schon nach kurzer Zeit scheitern? Forscher der Universität in Washington entdeckten Verhaltensweisen, anhand derer sie diesen Unterschied erkennen können.

 

Die vier Vorboten des Scheiterns

Dr. Janice Driver und ihre Kollegen der Universität in Washington trugen Ergebnisse aus dreißig Jahren Forschung zusammen, in denen über 300 Paare regelmäßig befragt wurden. Durch die Auswertung dieser Ergebnisse konnte das Forscherteam spezifische Verhaltensweisen ausmachen, die sie als die „Vier Vorboten des Scheiterns“ bezeichneten. Ihre Ergebnisse lassen erkennen, dass eine Scheidung mit 94%-iger Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden kann, wenn alle dieser Vorboten bei den Partnern zu erkennen sind.

 

Persönliche Kritik

Persönliche Kritik, die global und als persönlicher Angriff formuliert wird, ist der erste dieser „Vorboten“. Das bedeutet nicht, dass man alles hinnehmen muss, was am Verhalten des Partners/der Partnerin stört. Konstruktives Feedback jedoch und sachliche Kritik wirken sich auf die Paarbeziehung auf Dauer stets positiv aus. Insbesondere, wenn sie nicht auf die gesamte Persönlichkeit, sondern auf spezielle Verhaltensweisen abzielen. Ist Kritik aber als Anschuldigung formuliert („Du bist so vergesslich!“) und beinhaltet sie globale Formulierungen wie „immer“ oder „nie“, führt sie zu einer Eskalation der negativen Emotionen, und die Partnerschaft nimmt langfristig Schaden.

 

Geringschätzung

Geringschätzende Bemerkungen, Sarkasmus, beißender Spott oder Beleidigungen tun keiner Beziehung gut. Sie sind das Gegenteil von Respekt und Zuneigung, den Qualitätsfaktoren guter Beziehungen. Stattdessen stehen sie für Empörung, Abscheu und Verachtung gegenüber dem Partner. Gleichzeitig verhindern sie die Chance zu versöhnlichen Schritten nach einem Streit. Taucht also dieser „Vorbote“ in einer Beziehung auf, ist diese stark gefährdet.

 

Rechtfertigung

Sich bei einer Anschuldigung oder selbst bei einem konstruktiven Feedback zunächst zu rechtfertigen ist ein weit verbreiteter Automatismus. Fatalerweise bewirken gerade Rechtfertigungen die Eskalation negativer Gefühle. Dr. Driver und ihre Kollegen raten daher, statt auch noch direkt zum Gegenangriff überzugehen und sich damit vor Angriffen und persönlicher Verantwortungsübernahme abzuschirmen, die Argumente des Gegenübers erst einmal anzuhören und sich damit vorzustellen zu können, wie sich der Partner gerade fühlt.

 

Abblocken

Manche Menschen tendieren dazu, bei einem Streit irgendwann „abzuschalten“: In der Hoffnung, der Partner werde sich bald wieder von allein beruhigen, versuchen sie sich zu schützen, indem sie gar nicht mehr zuhören, dem/der PartnerIn nicht mehr in die Augen schauen und weder verbal noch nonverbal reagieren. Ab diesem Moment ist selbst konstruktive Kritik wirkungslos, verpufft. Eine solche Situation fordert von beiden Partnern Fingerspitzengefühl: Abblocken gilt nicht, allein der Anstand gebietet es, seinem Partner weiterhin zumindest zuzuhören. Geht auch das nicht, ist es zielführender, wenn der Souveränere von beiden dieses situative Kommunikationsdesaster als solches erkennt und vorschlägt die Diskussion vorerst besser zu vertagen.

 

Der Umgang mit Konflikten erweist sich als ein entscheidender Faktor, der zum Gelingen, aber auch zum Scheitern einer Partnerschaft führen kann. Sollten Konflikte daher besser vermieden werden, um den Alltag möglichst harmonisch zu gestalten? Für manche Menschen ist die Antwort: Ja. Für die Mehrzahl jedoch muss die Antwort anders lauten. Wie genau, das wird der nächste Blog-Eintrag erklären.

 

Quelle:

Driver, J., Tabares, A., Shapiro, A., Nahm, E. Y., Gottman, J. (2003). Interactional patterns in marital success and failure: Gottman laboratory studies. In F. Walsh (Ed.) Normal family process: Growing diversity and complexity (3rd ed., pp. 493-513) New York: Guilford Press.

Spezial zu Partnerschaft und Ehe: Wie bleibt das Glück erhalten?

„Bis, dass der Tod euch scheidet“ – dieser Trauspruch gilt für viele Ehen schon lange nicht mehr. Hält eine Ehe in Deutschland länger als 15 Jahre, wird sie heute meist schon als Langzeitehe bezeichnet. Kann man bereits zu Anfang erspüren, ob eine Partnerschaft belastbar ist? Wie steht es mit dem „Bauchgefühl“? Und welche Faktoren entscheiden darüber, ob die Partner in ihrer Ehe dauerhaft glücklich bleiben? Sozial- und Verhaltenswissenschaftler haben aktuell erstaunliche Forschungsergebnisse rund um das Thema Ehe und Partnerschaft zusammengetragen.

Dauerhaft glückliche Bindungen werden von den meisten Menschen als erstrebenswert angesehen. Der Beziehungsstatus hat z.B. direkte körperliche Auswirkungen: Verheiratete leben länger, werden seltener krank, ernähren sich gesünder und sind im Alter länger selbständig. Dennoch scheitern viele Paarbeziehungen an Hürden, die für viele nicht vorhersehbar schienen.

In unserer neuen Reihe von Blog-Einträgen werden Studienergebnisse dargestellt, aus denen hervorgeht, dass diese Hürden durchaus voraussehbar sind und – darüber hinaus – dass es möglich ist, in einer Partnerschaft dauerhaft glücklich zu sein.

 

Der richtige „Riecher“

Bereits in den ersten Augenblicken der Kontaktanbahnung ist unser Unterbewusstsein auf Hochtouren. Beide testen unbewusst ob eine Bindung miteinander wohl haltbar sein könnte: Dafür beiden müssen einander riechen können. Das mag zunächst banal klingen, dennoch haben biopsychologische Studien ergeben, dass der Geruchssinn soziales Verhalten massiv beeinflusst. Er hilft, unbewusst Emotionen in anderen Menschen zu entdecken; Menschen z.B., die ohne Geruchssinn geboren wurden, leiden nachweislich unter erhöhter sozialer Unsicherheit. Aus evolutionärer Sicht ist dieses Auswahlkriterium durchaus sinnvoll, denn ein Geruch, der als attraktiv empfunden wird, deutet darauf hin, dass sich das Immunsystem des Gegenübers vom eigenen unterscheidet, potentielle Nachkommen damit überlebensfähiger sein werden. Wer sich also gerne riechen mag, der bleibt auch länger zusammen.

 

Aufs Bauchgefühl achten

Bereits kurz nach der Hochzeit spüren die meisten Partner, wie es wirklich um ihre Ehe bestellt ist. Auch wenn sie vom Wunschdenken beseelt sind, eine glückliche und harmonische Ehe zu führen – sich auf das „Bauchgefühl“ zu verlassen, ist sinnvoller, als sich Dinge schönzureden. Konflikte, Missverständnisse oder enttäuschte Erwartungen gehören schon im Keim aufs Tapet: Man muss sie klären, und zwar durch beidseitig wohlwollende 4-Augen-Gespräche. Wobei viele das Feedback-Annehmen zum ersten Mal in ihrem Leben lernen müssen. Sie waren ja vorher noch nie verheiratet und haben das auch nirgendwo gelernt.

Der Psychologe James McNulty führte eine Langzeitstudie an 135 frisch verheirateten Paaren durch. Die StudienteilnehmerInnen wurden vier Jahre lang alle sechs Monate dazu befragt, wie zufrieden sie mit ihrer Ehe waren. Zusätzlich wurde jedes Mal ein sog. Implicit Associations Test durchgeführt, mit dem die unbewusste Einstellung der ProbandInnen zu ihrem/r PartnerIn und ihrer Ehe ermittelt wurde. McNulty’s erstaunliches Ergebnis: Die Paare, die gleich zu Beginn ihrer Ehe negative unbewusste Einstellungen zeigten, hatten im Laufe des Studienzeitraums Eheprobleme und standen vor der Trennung – auch wenn sie sich in der offenen Befragung anfangs geradezu euphorisch zeigten. Das Bauchgefühl lässt sich also nicht überlisten.

 

Das verflixte vierte Jahr

Der Untersuchungszeitraum von vier Jahren wurde von den Forschern nicht zufällig gewählt. Der sog. Coolidge-Effekt wurde bereits in den 1960-er Jahren entdeckt: Das Level der körpereigenen Glücks- und Bindungshormone Dopamin und Oxytocin – zu Beginn der Partnerschaft auf seinem höchsten Niveau – sinkt im Verlauf der Beziehung stetig und erreicht nach vier Jahren seinen tiefsten Stand. Die sexuelle Anziehungskraft wird damit immer geringer. Etliche Partnerschaften, in denen es die Partner in dieser Zeit nicht geschafft haben, ihre Beziehung auf ein festes Fundament zu stellen, scheitern an dieser Hürde.

 

Woraus aber besteht ein solches Fundament? Sind Menschen in der Lage, ihrer ganz natürlichen biologischen Entwicklung etwas entgegen zu setzen? Im nächsten Blog-Eintrag wird dieser Frage auf den Grund gegangen.

 

Quellen:

Croy, I., Bojanowski, V. & Hummel, T. (2013). Men without a sense of smell exhibit a strongly reduced number of sexual relationships, women exhibit reduced partnership security–a reanalysis of previously published data. Biological psychology, 92(2), 292-294.

McNulty, J. K., Olson, M. A., Meltzer, A. L., & Shaffer, M. J. (2013). Though they may be unaware, newlyweds implicitly know whether their marriage will be satisfying. Science, 342(6162), 1119-1120.

Wilson, J. R., Kuehn, R. E., & Beach, F. A. (1963). Modification in the sexual behavior of male rats produced by changing the stimulus female. Journal of comparative and physiological psychology, 56(3), 636.

Selbsteinschätzung: Wie gut kennen wir uns selbst?

Wer sich beruflich orientieren will, sollte in der Lage sein, seine Fähigkeiten, Potentiale und Interessen realistisch einschätzen zu können. Auch im Privatleben ist diese Fähigkeit wichtig: Sie hilft, eigene Entwicklungsfelder zu entdecken und sich individuell oder auch gemeinsam als Paar weiterzuentwickeln. Ergebnisse der psychologischen Forschung zeigen jedoch, dass sich viele Menschen mit Selbsterkenntnis schwer tun.

Selbstverständnis und –erkenntnis sind wichtige Meilensteine auf dem Weg zur Selbstfindung: Nur wer seine Stärken und Schwächen richtig einschätzen kann und seine Interessen kennt, kann es schaffen, langfristig glücklich zu sein – ob im richtigen Beruf, der Partnerschaft oder in der Freizeitgestaltung. Zwei Studien zum Thema Selbstkonzept präsentieren jedoch eher ernüchternde Ergebnisse, denn offensichtlich fällt es vielen Menschen schwer, sich selbst richtig einzuschätzen.

 

Fehlerhafte Selbsteinschätzung

Die Psychologen Ethan Zell und Zlatan Krizan der Universitäten in North Carolina und Iowa State fassten kürzlich 22 Metaanalysen mit insgesamt mehr als 200.000 StudienteilnehmerInnen zusammen, die die Übereinstimmung zwischen Selbsteinschätzungen eigener Fähigkeiten und objektiven Leistungsmaßen untersuchten. Im Gegensatz zur weitläufigen Meinung konnten sie nur einen mäßigen Zusammenhang finden, denn oft waren die StudienteilnehmerInnen nicht in der Lage, ihre Fähigkeiten in den Bereichen akademische Kompetenz, Intelligenz, Sprachkompetenz, medizinische Kenntnisse, sportliche und berufliche Fähigkeiten korrekt einzuschätzen. Nur wenn nach spezifischen Kenntnissen gefragt wurde und die Leistungstests den ProbandInnen vorher bekannt waren, stimmten Selbsteinschätzung und objektiv gemessene Leistung stärker überein. Wurde dagegen nach Einschätzung der eigenen Fähigkeiten in weiteren Sinn gefragt, lagen die ProbandInnen mit ihrer Einschätzung weit daneben: Sie schätzten sich entweder für sehr viel besser oder sehr viel schlechter ein, als sie tatsächlich waren.

 

Erkenntnis der fehlerhaften Selbsteinschätzung kann Selbstbewusstein erschüttern

Die Ergebnisse der Studie von Robert Arkin und Jean Guerrettaz der Ohio State University gehen darüber noch hinaus: Sie zeigen, dass die Erkenntnis der eigenen fehlerhaften Einschätzung das Selbstbewusstsein stark erschüttern kann. Für ihre Studie befragten die beiden Psychologen ihre TeilnehmerInnen zunächst, wie sicher sie sich ihrer Selbsteinschätzung seien. Daraufhin teilten sie sie in zwei Gruppen auf: eine Gruppe mit ProbandInnen, die sich sicher waren, sich selbst gut zu kennen und eine mit TeilnehmerInnen, die sich ihrer selbst eher unsicher waren. Im nächsten Test wurden die ProbandInnen gebeten, zehn Charaktermerkmale zu nennen, durch die sich besonders auszeichnen und diese nach Wichtigkeit zu ordnen. Für die als besonders wichtig empfundenen Eigenschaften sollten die StudienteilnehmerInnen im Anschluss konkrete Beispiele aus ihrer Biografie nennen, um sie zu belegen. Besonders diese Aufgabe fiel den meisten der TeilnehmerInnen schwer, auch jenen, die zuvor angaben, sich selbst gut zu kennen. Wurden die ProbandInnen dann mit den Ergebnissen der Tests konfrontiert, zeigte vor allem die Gruppe, die zuvor angegeben hatten, sich gut einschätzen zu können, ein erheblich erschüttertes Selbstbewustsein.

 

Feedback einfordern

Die genannten Ergebnisse sind sicherlich ernüchternd. Die von Sokrates übermittelte Formel: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, scheint auch auf das Wissen über das eigene Selbst zuzutreffen. Im Gegensatz zur Selbsteinschätzung zeigt die Fremdeinschätzung jedoch sehr oft zutreffendere Ergebnisse. Um sich also seiner Selbst sicherer zu werden, kann es hilfreich sein, sich von anderen einschätzen zu lassen. Ob privat oder beruflich: eine Feedbackkultur, bei der das Gegenüber kontinuierlich und konstruktiv gespiegelt wird, scheint auf dem Weg der Selbsterkenntnis hilfreicher zu sein, als sich auf die eigene und oft fehlerhafte Einschätzung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten zu verlassen.

Fazit: Ehrlich Freundschaften pflegen.

 

Quellen:

Frey, D. (2000). Kommunikations-und Kooperationskultur aus sozialpsychologischer Sicht. In: H. Mandl & G. Reinmann-Rothmeier (Hrsg.) Wissensmanagement. Informationszuwachs-Wissensschwund, (S. 73-92). München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag.

Guerrettaz, J., & Arkin, R. M. (2015). Who Am I? How Asking the Question Changes the Answer. Self and Identity, 14(1), 90-103.

Zell, E., & Krizan, Z. (2014). Do people have insight into their abilities? A metasynthesis. Perspectives on Psychological Science, 9(2), 111-125.

Leidet die Liebe, weil sie ihn überholt?

„Wenn die Frau erfolgreicher ist und deutlich mehr verdient, kann es sein, dass der Mann Probleme hat. Konkurrenz innerhalb einer Partnerschaft ist Gift. Man ist schließlich ein Team“, erklärt der Münchner Psychologe Dr. Stephan Lermer. Zum ganzen Beitrag geht es unter: Bunte.de

Online-Dating enttabuisiert


„Web-Flirten funktioniert ähnlich wie beim Tanzen“

Der Psychologe Dr. Stephan Lermer über buntes Treiben in Single-Börsen und Annäherung per Internet. Interview mit Dr. Stephan Lermer


Warum geben Menschen Geld für die Hoffnung auf die große Internet-Liebe aus?

Dr. Lermer: Der Mensch ist irrational. Wenn es um die Triebe oder die Liebe geht, spielt Geld keine Rolle. Außerdem ist das Single-Börsen-Treiben längst enttabuisiert. Man darf sich dazu bekennen, dass man auf diesem Weg einen Partner sucht. Hinzu kommt: früher kannte man die Menschen in der unmittelbaren Umgebung noch persönlich. Heute haben wir auch vor Ort die Anonymität. Da können wir dann gleich im Internet nachschauen.

Werden wir dort finden, was wir suchen?

Dr. Lermer: Bei manchen Plattformen gibt es Tests, über die Sie ermitteln können, wer Sie eigentlich sind und wer zu Ihnen paßt. Das macht die Partnersuche ehrlicher und zielführender. Sie können Werte und Wunschvorstellungen festlegen, haben eine viel größere Auswahl. Und eine größere Trefferquote. Da hockt irgendwo auf Rügen ein Mensch, der diese Musik gerne hört, diesen Autor liest, dieses Urlaubsziel präferiert. Hinzu kommt: Partnersuchende können sich heute Anspruchsdenken erlauben, Liebe verfolgen, Liebe leben. Und Kennenlernen im Internet ist ja wie Smalltalk: Man nähert sich zwiebelschalenmäßig an, erst durch Anklicken des Profils, dann per Email oder SMS. Und wenn man merkt, das ist es doch nicht, dann kann man den Kontakt abbrechen – wie beim Tanzen. Und beide haben ihr Gesicht gewahrt.

Fragen: Michael Nardelli

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer