Besser entscheiden mit Psychologie

Auf Grund der uralten Einsicht, dass nicht alles menschliche Verhalten rational ist und der Möglichkeit neuer Forschungsmethoden erlebte Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts die Verbindung von Psychologie und Wirtschaftswissenschaften eine Renaissance: Mit Hilfe der Tools der Verhaltensökonomie konnten Forscher nun weitaus besser als zuvor das (ir-)rationale Entscheidungsverhalten des Homo sapiens erklären und vorhersagen.

Bevor Sie sich nun wertvolle Tipps für bessere Entscheidungen abholen, sind Sie herzlich eingeladen, ein paar Zeilen zur Prospect Theory (siehe Beitrag vom 09.09.09) zu lesen. Obwohl die meisten Untersuchungen zur Prospect-Theorie aus dem wirtschaftlichen Kontext stammen, gilt die Theorie jedoch für alle Bereiche unseres Entscheidungs-Lebens. Zeit also, dass Sie ein paar dieser Fehler kennen lernen, um sie in Zukunft zu vermeiden. Ab jetzt können Sie gerne jeweils donnerstags unsere kleine Serie ‚Besser entscheiden mit Psychologie‘ nutzen. Viel Spaß beim Experimentieren mit den Ergebnissen der Verhaltensökonomik!

Teil 3 – Overconfidence Bias

„Sicher?“ – „100%ig!!“. Von wegen….
Bei wirtschaftlichen wie bei persönlichen Fragen überschätzen wir systematisch unsere Fähigkeit, Wahrscheinlichkeiten anzugeben und Vorhersagen für zukünftige Ereignisse zu treffen.
Ein Beispiel: Gibt man Versuchsteilnehmern die Aufgabe, die Bevölkerung Bulgariens derart zu schätzen, dass der angenommene wahre Wert zu 90% Wahrscheinlichkeit in einem genannten Intervall liegt (typische Antwort: ‚Die Bevölkerung liegt mit 90% Sicherheit zwischen 10 und 15 Millionen‘), so geben die meisten Teilnehmer zu geringe Intervalle an.
Oder: Geben Sie Teilnehmern in einem Quiz die Möglichkeit, auf die Korrektheit ihrer Antworten zu wetten. Die Teilnehmer werden in der Regel Geld verlieren.

Diese Art von überhöhtem Selbstvertrauen in unsere eigenen Entscheidungen und Prognosen wird in der Psychologie „Vermessenheitsverzerrung“ oder englisch „overconfidence bias“ genannt. Im psychologischen Versuchslabor hat die Selbstüberschätzung natürlich keine weitreichenden Folgen, wohl aber oft in der Realität („Ich kann noch fahren“, „Kaufen, kaufen, die Wertpapiere steigen mit ziemlicher Sicherheit wieder!“).

Dazu kommt: Selbstüberschätzung ist in der Regel sogar gesund: Sie hilft uns, unser Selbstvertrauen aufrecht zuerhalten und unseren „Locus of Control“ internal zu verankern – was nichts anderes bedeutet, als dass wir uns selbst das Gefühl geben, ‚die Dinge in der Hand zu haben‘. So gesehen ist die Vermessenheitsverzerrung eine wichtige Grundlage unseres Selbstwertbewusstseins und ein naher Verwandter des Optimismus. Beide brauchen wir, um glücklich und zufrieden zu werden. ‚Gesunde Selbstüberschätzung‘ nennt der Volksmund das Phänomen – und dem ist zunächst nichts entgegenzusetzen.

Zumindest so lange nicht, bis die eigenen falschen Entscheidungen auf Grund einer Vermessenheitsverzerrung das eigene Leben oder das anderer gravierend beeinträchtigen können („lass mal, ich kann noch fahren“).

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Psychologische Begriffe: „Hochstapler-Syndrom“

Kennen Sie diese Situation: Sie haben ein Projekt sehr erfolgreich abgeschlossen und nun werden Sie von allen Seiten dafür gelobt und beglückwünscht. Sie freuen sich zwar über Ihre offensichtlich gute Leistung, haben aber das Gefühl, dass alle übertreiben und Sie doch eigentlich gar nichts Besonderes gemacht haben?

Menschen, die dieses Gefühl jedes mal befällt, wenn sie für etwas Tolles belohnt werden, leiden womöglich am sogenannten „Hochstapler-Syndrom“.

Ulrike Folkerts ist ein gutes Gegenbeispiel. Als ihr vor einiger Zeit ein Preis aufgrund ihrer großen Beliebtheit als „Tatort-Kommissarin“ verliehen wurde, kam sie auf die Bühne und meinte mit fester Stimme: „Ich finde, das habe ich verdient.“

Ein solches Verhalten überrascht uns geradezu, vor allem bei Frauen. Fachärztin Astrid Vlamynck aus Berlin schreibt dies den verankerten Rollenbildern zu. Eine Erziehung, die darauf abzielt, eine Frau zu einer guten Hausfrau und Mutter zu machen, wird einer Karrierefrau irgendwann Probleme bereiten.

Experten bezeichnen diese spezielle Form des Minderwertigkeitskomplexes als „Hochstapler-Syndrom“. Die Betroffenen halten sich dabei unbewusst für „Hochstapler“ und haben Angst, dass sie entlarvt werden könnten. Und dies, obwohl sie in Wahrheit keine sind, denn sie arbeiten hart und beweisen Fleiß, Talent und Erfolg.

Die vermutlichen Ursachen liegen in frühkindlichen Erfahrungen und bestimmten Familienstrukturen. Eltern sprechen meist nur in den besten Tönen von ihren Kindern. Sie halten ihren eigenen Nachwuchs für besser, klüger und schöner als das Durchschnittskind. Bekommt das Kind nun diese „Lobhudelei“ mit, hält sich selbst aber gar nicht für so gut, kann es zu dem Gefühl kommen, schlechter zu sein, als die anderen von ihm denken.

Derselbe Effekt kann sich aber auch ergeben, wenn genau das Gegenteil der Fall ist: Die Eltern unterschätzen ihr Kind und loben nur die Geschwister. Daraus kann das Gefühl entstehen, ’nicht gut genug zu sein‘.

Was kann man tun, wenn man das Gefühl hat, öfters dem Hochstapler-Syndrom zu unterliegen? Ob Mann oder Frau: Wir müssen lernen, aktiv unser Selbstbewusstsein zu stärken. Hilfreich dabei können vor allem nahestehende Personen sein, die uns ehrliches, aber respektvolles und wertschätzendes Feedback geben können. So wird der Weg geebnet für eine realistischere Selbsteinschätzung.

Dieses Selbst-Bewusstsein führt langfristig zu mehr Selbst-Vertrauen. Und dann können wir uns selbst und allen anderen endlich auch sagen: „Danke! Diesen Erfolg habe ich wirklich verdient.“