Online-Dating enttabuisiert


„Web-Flirten funktioniert ähnlich wie beim Tanzen“

Der Psychologe Dr. Stephan Lermer über buntes Treiben in Single-Börsen und Annäherung per Internet. Interview mit Dr. Stephan Lermer


Warum geben Menschen Geld für die Hoffnung auf die große Internet-Liebe aus?

Dr. Lermer: Der Mensch ist irrational. Wenn es um die Triebe oder die Liebe geht, spielt Geld keine Rolle. Außerdem ist das Single-Börsen-Treiben längst enttabuisiert. Man darf sich dazu bekennen, dass man auf diesem Weg einen Partner sucht. Hinzu kommt: früher kannte man die Menschen in der unmittelbaren Umgebung noch persönlich. Heute haben wir auch vor Ort die Anonymität. Da können wir dann gleich im Internet nachschauen.

Werden wir dort finden, was wir suchen?

Dr. Lermer: Bei manchen Plattformen gibt es Tests, über die Sie ermitteln können, wer Sie eigentlich sind und wer zu Ihnen paßt. Das macht die Partnersuche ehrlicher und zielführender. Sie können Werte und Wunschvorstellungen festlegen, haben eine viel größere Auswahl. Und eine größere Trefferquote. Da hockt irgendwo auf Rügen ein Mensch, der diese Musik gerne hört, diesen Autor liest, dieses Urlaubsziel präferiert. Hinzu kommt: Partnersuchende können sich heute Anspruchsdenken erlauben, Liebe verfolgen, Liebe leben. Und Kennenlernen im Internet ist ja wie Smalltalk: Man nähert sich zwiebelschalenmäßig an, erst durch Anklicken des Profils, dann per Email oder SMS. Und wenn man merkt, das ist es doch nicht, dann kann man den Kontakt abbrechen – wie beim Tanzen. Und beide haben ihr Gesicht gewahrt.

Fragen: Michael Nardelli

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer