Lächeln hat eine ungeheure Rendite

Dr. Stephan Lermer im Ostschweiz Radio 1FM Interview

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„Ein sinnliches Gesamtkunstwerk“ – Der Münchner Glücksforscher Dr. Stephan Lermer erklärt in der MAZ exklusiv, warum Oktoberfeste so beliebt sind

Als Wahnsinns-Gaudi und Mega-Event mit über sechs Millionen Besuchern strahlt das  Münchner Oktoberfest weit über die bayerischen Landesgrenzen hinaus. Mit Brezn, Haxn und einer frischen Maß Bier wird die Wiesn assoziiert – und so kommt es, dass immer im Herbst viele Menschen in der ganzen Bundesrepublik, teilweise sogar im Ausland Oktoberfest feiern.

Doch woher kommt die Faszination dieses über 200 Jahre alten Fests, das erstmals im Jahr 1810 anlässlich der Hochzeit von Kronprinz Ludwig und Prinzessin Therese in München gefeiert wurde?

Im MAZ-Gespräch geht der Münchner Glücksforscher und Psychologe Dr. Stephan Lermer
dieser Frage nach.

Herr Dr. Lermer, wie erklären Sie sich die Faszination, die vom Oktoberfest ausgeht?

Lermer: „Ich denke, bei diesem Riesen-Spektakel werden schlichtweg archaische Bedürfnisse im Menschen geweckt. Dort steigt der Rauch auf, dort spielt die Musik. Jeder will dabei sein. Es ist ein Sehen und gesehen werden. Hinzu kommen laute Musik und Fahrgeschäfte mit einem gewissen Nervenkitzel. Außerdem möchte man mit einem Besuch zeigen, dass man es sich leisten kann.“

Es ist aber auch so, dass in der ganzen Republik, ja inzwischen quasi schon weltweit Oktoberfeste gefeiert werden. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?

Lermer: „Das ist eine Inflationierung. Der Grund ist: Man will sich eine Scheibe dieses Events abschneiden. Aber solche Feste Feste sind wichtig, um aus dem Alltag auszubrechen. In der heutigen modernen Zeit sind viele Rituale verlorengegangen, da versuchen die Menschen, Ersatz zu schaffen.“ Hört man Oktoberfest, denkt man sogleich die Brezn und die Maß Bier.

Welche Rolle spielt die Symbolik bei der Faszination dieses Festes?

Lermer: „Alle Sinne werden bedient. Intensive Gerüche von gebratenen Mandeln oder der Wurtsbraterei. Man sieht tiefe Dekolletés, knackige Waden der Männer. Man sieht hübsche Kleidung und gönnt sich zur Brezn ein frisches Bier. Hinzu kommt ein hoher erotischer Flirtfaktor. Man sitzt eng zusammen, kommt sich rasch nahe, lacht und singt zusammen. Das Ganze ist ein sinnliches archaisches Gesamtkunstwerk.“

Das Ganze hat aber auch einen gewissen Faschings-Charakter…

Lermer: „Richtig, das ist mit Karneval oder Fasching vergleichbar. Wir schlüpfen ja auch hier in Rollen und brechen aus dem Alltag aus.“

Indem wir in das Dirndl oder die Lederhose schlüpfen?

Lermer: „Wir spielen á la Shakespeare das ganze Leben lang Rollen. Und beim Oktoberfest zeigen wir, dass wir offen sind für das Sinnliche. Hinzu kommt: Das Dirndl steht eigentlich jeder Frau. Es macht jede Frau hübscher. Der Mann wiederum zeigt in der Lederhosen-Tracht seine Muskeln und seine Waden. Da weden klassische Rollenbilder bedient.“

Aus Sicht des Glücksforschers begrüßen Sie also das Ritual, solche Festivitäten zu feiern?

Lermer: „Ja, man sollte aber seine Grenzen kennen und an morgen denken. Das ist wie bei der Weihnachtsfeier in der Firma. Genuss ja, aber alles in Maßen.“

 

[Anmerkung: Der Artikel ist auch als PDF erhältlich unter diesem link: Lermer_Oktoberfest]

Coaching: Wetter ist der Smalltalk-Hit Nummer eins

Dr. Stephan Lermer erklärt mit einem Meteorlogen, weshalb wir uns so gerne mit Regen, Sonnenschein und der Wettervorhersage beschäftigen:

„Ob dieser Winter wohl jemals enden wird?“ Ein Satz, und schwuppdiwupp stecken Sie mitten in einem Gespräch über den Wintervergleich der letzten vier Jahrzehnte. „Es mag abgedroschen klingen, aber Wetter ist immer noch der Smalltalk-Hit Nummer eins“, erzählt Dr. Stephan Lermer, Psychotherapeut und Kommunikationstrainer aus München aus seiner Praxiserfahrung.

Wetter tangiert praktisch jeden von uns

Aber warum ist das so? Dafür gibt es mehrere Erklärungen. Zum einen interessiert die Wetterlage praktisch jeden von uns. Das Gartenfest macht bei 30 Grad Celsius und Sonne mehr Spaß als bei kaltem Nieselregen. Der Skiurlaub klappt nur mit Schnee. Der Bauer braucht Regen für seinen Anbau. Und wenn die Sonne scheint, dann steigt bei fast allen Menschen die Laune. „Die Leute lächeln, unterhalten sich am Gartenzaun, die Kinder können raus zum Spielen“, zählt der Psychotherapeut Beispiele auf.

Der Wetter-Plausch ist auch ein super Eisbrecher: Peinliches Schweigen im Aufzug? „Am Wochenende soll’s ja wieder schön werden.“ Und schon löst sich die zähe Situation. Wetterprognosen kann man sogar ohne Bedenken mit dem Chef austauschen, denn Wetter ist sexismusfrei, politikfrei und Religion spielt hier auch keine Rolle.

Die Macht des Wetters

Ein weiterer Punkt: Das Wetter hat Macht über uns. „Wir können unser Aussehen beeinflussen, unsere Urlaubsplanung, unsere Jobsituation und mit wem wir uns verabreden. Aber wir sind machtlos, ob die Sonne scheint oder nicht“, erklärt Lermer. Das ist ungewohnt, also wird darüber geredet. Um mit der Machtlosigkeit besser klarzukommen, neigen wir Menschen dazu, die Wetterlage zu personifizieren: „Petrus meint es nicht gut mit uns!“ So hat man einen Schuldigen auf den man gemeinsam schimpfen kann.

„Um über das Wetter zu reden, ist keine spezielle Vorbildung nötig“, zählt Diplom-Meteorologe Thomas Dümmel einen weiteren Vorteil unseres Lieblingsthemas auf. „Jeder kann sagen, ob er die momentane Wetterlage mag oder nicht, und somit mitreden“, so der Experte vom Institut für Meteorologie an der Freien Universität (FU) Berlin.

Das Hoch „Sophie“

Seit 2002 kann man sich bei Dümmel und seinen Kollegen Hoch- und Tiefdruckgebiete kaufen. Die tragen dann einen gewünschten Namen. Erlaubt sind allerdings nur normale Menschennamen. „Hoch Sophie“ geht, „Tief München“ funktioniert nicht. Mit dem Geld finanziert die FU Berlin zum Teil die Wetterstation. Ob die Hochs weibliche oder männliche Namen bekommen, wechselt jedes Jahr. 2013 tragen die Hochs zum Beispiel Frauennamen.

Wer übrigens denkt, dass die meisten Menschen nur Hochs kaufen möchten, der irrt sich: „Einem echten Wetterfreak schenkt man lieber ein Tief. Da ist doch viel mehr los. Blitze, Donner, Regen und Sturm. Ein Hoch ist viel langweiliger“, erklärt der Meteorologe.

Ob Sie nun lieber Sonnenschein mögen oder ein ordentliches Gewitter – für den nächsten Smalltalk dürften Sie gewappnet sein.

[Autorin: Sophie Schöninger / www.apotheken-umschau.de; 04.04.2013]

Coaching: Psychohygiene rechnet sich – denn trübsinnige Stimmung führt zu kurzsichtigen Entscheidungen

Die klassische Coaching-Empfehlung von Dr.Lermer, wichtige Entscheidungen nicht im Stimmungstief, sondern im Plus-Zustand zu treffen, wurde wieder einmal wissenschaftlich bestätigt. Die Harvard-Professorin Jenniver Lerner und ihr Team konnten belegen, wie eine traurige Stimmunslage direkt zu negativ irrationalen Entscheidungen führt. In ihrem  Experiment stellte sie 600 Versuchspersonen die klassiche Frage, ob sie lieber einen kleineren Geldbetrag von 25 Dollar sofort oder 85 Dollar wählen würden, wobei es den größeren Geldbetrag nicht sofort, sondern erst in ein paar Wochen gibt. Dann wurden den Subgruppen a) ein  trauriger Film b) ein ekliger und c) gar kein Film dargeboten. Signifikant unterschiedlich zu den anderen Gruppen entschieden sich die Betrachter a) des traurigen Films für das schnelle kleine Geld, und damit für die schlechtere Variante.

Fazit:  Traurigkeit schlägt Hoffung und Vertrauen und (ver-)führt zu kursichtigen Entscheidungen. Lerner nenn das Phänomen myopic misery. Unsere Empfehlung daraus: In Situationen trauriger Stimmung entweder die Ursachen dafür auflösen, sich ablenken oder abwarten („wait and see“). Und Entscheidungen  erst wieder dann treffen, wenn man hoffnungsgeladen und voller Vertrauen aufs Gelingen wieder souverän und damit in der Lage ist erfolgreiche Entscheidungen zu treffen.

Quelle:  Lerner, Jenniver S., Weber, Elke U., The Financial Costs of Sadness. Psychological Science 2012, 13