Unbewusste Signale für die Qualität Ihrer Partnerschaft?

Forscher der University of Rochester können mit Hilfe des sogenannten Impliziten Assoziationstests (wir berichteten in unserem Blogbeitrag vom 23. Juni 2009) herausfinden, wann eine romantische Beziehung in die Brüche geht. Beim Impliziten Assoziationstest verbindet man sehr schnell nette und bösartige Begriffe mit dem Partner.

Der Fokus der Studien lag darauf, welche Gefühle die Partner für- und gegeneinander haben. Man könnte sie nun zwar einfach fragen, ob sie glücklich miteinander seien. Allerdings ergäbe sich bei dieser Methode das Problem, dass die Probanden nicht immer ehrlich antworten, da sie sich nicht eingestehen wollen, dass sie nicht mehr glücklich sind. Deshalb die impliziten (sprich: unbewussten) Assoziationstests.

In der Studie wurden 222 freiwillige Versuchspersonen getestet, die alle in einer romantischen Beziehung steckten. Die Probanden gaben den Vornamen und zwei charakteristische Eigenschaften des Partners an. Danach wurden ihnen am PC immer paarweise Wörter aus drei Kategorien gezeigt: nette, bösartige und eben die für den Partner charakteristischen Wörter.

In der ersten Runde wurden die Versuchsteilnehmer gebeten, immer dann möglichst schnell eine Taste zu drücken, wenn sie gute und charakteristische Wörter zusammen sahen. In der zweiten Runde sollten sie drücken, wenn sie bösartige Wörter zusammen mit charakteristischen Wörtern sahen.

Die Theorie dahinter: Wer im Moment eine glückliche Partnerschaft führt, sollte bei netten Wörtern schneller reagieren als bei bösartigen. Unglückliche oder schlecht laufende Partnerschaften wären dadurch charakterisiert, dass die Partner schneller bösartige Wörter mit der Partnerschaft verbinden.

Natürlich überprüften die Wissenschaftler ihre Ergebnisse und fanden heraus, dass viele der Freiwilligen, die ihren Partnern schneller bösartige Eigenschaften als gute zuschreiben konnten, sich im Laufe des nächsten Jahres trennten. Bevor der Test Serienreife erlangt, müssen allerdings noch einige Versuche durchgeführt werden. Wir informieren Sie.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer
Quelle: Rogge, RD et al. (2010). „Assessing the Seeds of Relationship Decay: Using Implicit Evaluations to Detect the Early Stages of Disillusionment. Psychological Science

Besser entscheiden mit Psychologie – I

Auf Grund der uralten Einsicht, dass nicht alles menschliche Verhalten rational ist und der Möglichkeit neuer Forschungsmethoden erlebte Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts die Verbindung von Psychologie und Wirtschaftswissenschaften eine Renaissance: Mit Hilfe der Tools der Verhaltensökonomie konnten Forscher nun weitaus besser als zuvor das (ir-)rationale Entscheidungsverhalten des Homo sapiens erklären und vorhersagen.

Bevor Sie sich nun wertvolle Tipps für bessere Entscheidungen abholen, sind Sie herzlich eingeladen, ein paar Zeilen zur Prospect Theory (siehe Beitrag vom 09.09.09) zu lesen. Obwohl die meisten Untersuchungen zur Prospect-Theorie aus dem wirtschaftlichen Kontext stammen, gilt die Theorie jedoch für alle Bereiche unseres Entscheidungs-Lebens. Zeit also, dass Sie ein paar dieser Fehler kennen lernen, um sie in Zukunft zu vermeiden. Ab jetzt können Sie gerne jeweils Donnerstags unsere kleine Serie ‚Besser entscheiden mit Psychologie‘ nutzen. Viel Spaß beim Experimentieren mit den Ergebnissen der Verhaltensökonomik!

Teil 1: Die Ankerheuristik
Was schätzen Sie: Wieviel Geld gab die deutsche Automobilindustrie 2006 für Forschung und Entwicklung aus? Wir würden sagen: 28 Milliarden €. Jetzt sind Sie dran (ohne zu googeln 😉 !

Glauben Sie, unser ‚Tipp‘ hat Ihre Entscheidung beeinflusst? Möglich, denn wenn wir diese Schätzaufgabe 100 zufällig ausgewählten Personen stellen, überschätzen diese im Mittel die Forschungsgelder der Automobilindustrie. Das liegt daran, dass wir eine fiktive Zahl genannt haben, die viel zu hoch ist (Der wahre Wert beträgt 12,4 Mrd. €, Statistisches Bundesamt). Hätten wir ‚geschätzt‘, dass die Forschungsinvestitionen ca. 4 Mrd. € ausmachen, wäre der mittlere Schätzwert unserer Stichprobe weitaus niedriger ausgefallen.

Unsere ‚Versuchspersonen‘ hätten nämlich die Ankerheuristik verwendet. Sie ist eine Daumenregel zur Entscheidungsfindung und wird meist unbewusst angewendet. Grundlage: Wir schaffen es in den seltensten Fällen, eine erste Information NICHT zu beachten und/oder NICHT zu verarbeiten. Anschließend lassen wir diese erste Information als Ausgangspunkt (= ‚Anker‘) in unsere eigenen Überlegungen und Entscheidungen einfließen. Dies geschieht so subtil und unerkannt, dass es nur ein Mittel dagegen gibt: Objektive Daten.

Und es kommt noch besser: Die ‚Information‘, die wir vorab erhalten, muss nicht einmal unbedingt etwas mit der Entscheidung zu tun haben! Ein beeindruckendes Beispiel: Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman gab Versuchsteilnehmern die Anweisung, die letzten vier Ziffern ihrer Sozialversicherungsnummer auswendig zu lernen. Anschließend ließ er sie die Anzahl der niedergelassenen Psychotherapeuten in New York schätzen. Witziges und zugleich erschütterndes Ergebnis: Die Sozialversicherungsnummer der Versuchsteilnehmer hatte einen Einfluss auf die geschätzte Anzahl der Therapeuten (Korrelation: r=0.4): Je ’niedriger‘ die letzten 4 Zahlen waren (z.B. ‚1352‘), desto niedriger wurde auch die Therapeutenzahl geschätzt.

Noch einmal: Die einzige Chance, die Sie gegen die Ankerheuristik haben sind objektive Daten. Oder viele unabhängige (!) Meinungen.

Wird nächsten Donnerstag fortgesetzt!


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

‚Project Implicit‘ – Die Tür zum Unbewussten

Forschung zum Anfassen: Seit über 10 Jahren betreiben amerikanische Forscher nun das ‚Project Implicit‘. Ziel des Forschungsprogramms ist es, einen wissenschaftlichen Zugang zum Unbewussten zu finden – und damit Stereotype zu erheben, Einstellungen zu messen und letztlich unser Verhalten zu erklären, das uns zuweilen immer wieder vor Rätsel stellt.

Denn oft können wir selbst nicht erklären, warum wir wann was getan haben. Wenige unserer Handlungen nehmen wir wirklich bewusst vor und viele unserer Einstellungen und Vorurteile sind implizit. Das heißt: Latent vorhanden, dem Bewusstsein nicht zugänglich, automatisiert. Oft wollen wir uns Gedanken auch nicht eingestehen. Oder wir wollen sie nicht äußern, weil wir negative Konsequenzen befürchten. Wie sieht es mit Ihrer Einstellung gegenüber anderen Religionen aus? Sind alle Menschen gleich? Sollten alle gleich behandelt werden? Ist die Todesstrafe gerecht oder unmenschlich? Was denken Sie wirklich?

Seit einigen Jahren nun existiert ein vielversprechender psychologischer Test, mit dem solche impliziten Einstellungen gemessen werden können: Der IAT (Implicit Association Test). Im Rahmen des Project Implicit wird er online angeboten. Jeder kann diesen Test machen, um (völlig anonym!) seine Einstellungen zu messen.

An der letzten veröffentlichten Studie, die mit Hilfe des Online-IAT durchgeführt wurde, beteiligten sich über 500.000 Menschen in 34 Ländern. Sie trugen damit nicht nur zur wissenschaftlichen Erkenntnis bei, sondern auch zu ihrer eigenen.

In der Studie wurde die Einstellung zu ‚Frauen und Mathematik‘ bzw. ‚Frauen und Wissenschaft‘ untersucht. 70% der Versuchsteilnehmer hatten dem Test zu Folge implizite Vorurteile gegenüber diesen Verbindungen. Brian Nosek, Leiter der Studie fasst zusammen: „Wir fanden die starke Tendenz […], dass die Teilnehmer sich im Durchschnitt leichter damit tun, die Konzepte Wissenschaft und Mathematik mit Männern zu assoziieren als mit Frauen.“ Übrigens: In jedem der 34 Länder!

So weit, so gut. Noch interessanter wurde das Ergebnis, als die Forscher die Daten des IAT mit der realen Leistung von Schülern in Mathe und Naturwissenschaften verglichen: In den Ländern, in denen es die größten Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen gab, waren auch die impliziten Vorurteile am größten! Ein klarer Hinweis darauf, dass Vorurteile in der Tat zum Geschlechterunterschied beitragen.

Auf der deutschen Website des Project Implicit können Sie selbst Demo-Tests machen, deren Ergebnisse nur Sie erfahren. Beispiele: Bevorzugen Sie dick oder dünn? Deutschland oder die USA? Männer oder Frauen? Wessis oder Ossis?

Wissenschaftliche Psychologie zum Anfassen. Probieren Sie es selbst aus. Auf Ihre Gefahr. Denn die Testautoren warnen: Die Ergebnisse könnten zu unliebsamen Ergebnissen führen.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer