Glück: Nicht allein eine Sache des Glücks

Interview mit dem Dipl.-Psychologen und Glücksforscher Dr. Stephan Lermer,
SORBAS, 1/2009
Teil 1

Es gibt einen Witz über einen Mann namens Herbert, der seinen Herrgott jeden Tag anfleht, ihn endlich in der Lotterie gewinnen zu lassen. Zehn Jahre lang betet er jedes Wochenende inständig: „Lieber Gott, lass mich diesmal gewinnen!“. Vergeblich. Als er es eines Tages erneut versucht, ist sein Zimmer plötzlich in strahlende Helligkeit getaucht und eine tiefe Stimme ruft verzweifelt: „Herbert, gib mir doch eine Chance. Kauf dir doch bitte um Himmels Willen endlich ein Los!“

Mit dem Diplom-Psychologen Dr. Stephan Lermer führen wir ein Gespräch darüber, wie wir uns das „Los“ für ein erfüllteres und glücklicheres Leben ziehen können.

SORBAS: Dr. Lermer, bitte vorab eine Begriffsklärung. Was verstehen Sie unter Glück?

Stephan Lermer: Glück bedeutet zunächst einmal die Umsetzung eines sinnvollen Lebensentwurfs und die optimale Nutzung der eigenen Möglichkeiten. Wie der Baum Früchte trägt oder die Kuh Milch gibt, müssen auch wir Menschen in Übereinstimmung mit unseren Möglichkeiten leben und einen eigenen Platz im Leben finden.

SORBAS: Im Vergleich zur Generation unserer Eltern haben wir heute viel mehr Möglichkeiten, ein unseren individuellen Bedürfnissen entsprechendes Leben zu führen. Trotzdem stagniert die Lebenszufriedenheit in Deutschland. So glauben viele Menschen, dass das Leben immer schwieriger und schlechter würde. Warum tun wir, die Bewohner eines der reichsten Länder der Erde, mit dem Glück derart schwer? Sind wir Deutschen möglicherweise zu miesepetrig?

Stephan Lermer: Das sicher nicht. Aber unsere Erkenntnis ist konsumorientiert, das heißt, wir wollen haben, nehmen und besitzen. Wären wir weniger gierig und würden uns nicht ständig mit anderen vergleichen, hätten wir den ersten Schritt zum Glücklichsein bereits getan. Hinzu kommt, dass wir das Glück außerhalb von uns selber suchen. Die Befriedigung von Konsumwünschen mag zwar Lustgewinn verschaffen, aber kein Glück. Das erklärt, warum sich die durch eine Ware gewährte Lusterfülung auch so schnell als schal erweist.

SORBAS: Laut einer neuen Studie der London School od Economics and Political Science sollen die allerärmsten der Welt, die Menschen in Bangladesh, mit zu den Glücklichsten der Welt zählen. Welche Erklärung haben Sie dafür?

Stephan Lermer: Diese Menschen sind viel weniger auf Konsum aus, weil sie allein schon auf Grund ihrer Lebensumstände dazu nicht in der Lage sind. Ihnen genügt es, am Leben zu sein, Kinder zu haben. Sie haben eine völlig andere Einstellung zum Leben und gelernt, es jeden Tag aufs Neue anzunehmen. Darüber hinaus haben sie etwas, was uns hier im Westen ziemlich abhanden gekommen ist: Demut.

SORBAS: Viele Menschen hoffen darau, dass ihnen ein Lottogewinn, ein neuer Partner oder sonst ein Wunder einen dauerhaften Glückszustand beschert und sie in eine andere, glücklichere Person verwandelt. Warum sind solche Hoffnungen trügerisch?

Stephan Lermer: Das Glück als solches vermehrt sich nicht durch die Lösung äußerer Probleme. Ist das eine Problem gelöst, wartet schon das nächste. Zudem ist Glück nicht käuflich. Wohlstandsmehrung geht nämlich nicht automatisch mit Glücksempfinden einher. Empirische Forschungen belegen hinreichend, dass beispielsweise ein Lottogewinn nicht glücklich macht, es sei denn, jemand befindet sich in großer finanzieller Not und kann eine Miete nicht mehr bezahlen. Ab der Grundsicherung jedoch ist Glück nicht käuflich. So kommt es nicht von ungefähr, dass die Amerikaner sagen: „The best things of life are free.“ Und zu eben diesen Dingen gehören Freundschaft, Liebe, Zeit.

Wird forgesetzt. Lesen Sie morgen, wie man persönlich zu seinem Glück betragen kann.

gepostet i.a. von Dr. Stephan Lermer