Wie unser Gedächtnis funktioniert: Vier Tipps, die Erinnerung und Konzentration fördern

Erinnerungslücken und Konzentrationsmangel verschaffen uns oft schwierige Momente. Oft sind sie jedoch nicht etwa Zeichen für Gedächtnisschwund oder gar Mangel an Intelligenz. Oft sind sie schlicht durch ganz bestimmte Mechanismen eines gesunden Gehirns verursacht. Jetzt weiß man: Ein paar einfache Methoden können helfen, unser Gehirn bei seiner Arbeit zu unterstützen.

 

Wer ist nicht hin und wieder vergesslich oder wünscht sich, mehr neue Informationen auf Abruf erinnern zu können? Erlebt nicht jeder einmal Phasen, in der man sich partout nicht konzentrieren kann? Erkenntnisse der psychologischen Forschung erklären diese Phänomene nicht nur, sondern zeigen auch Möglichkeiten auf, wie die  Gedächtnis- und Konzentrationsleistung verbessert werden können.

 

Physische Hilfsmittel

Wer kennt das nicht: Man steht auf, um etwas zu erledigen, und hat dann nach einigen Schritten in einen anderen Raum dort angekommen auf einmal vergessen, was es war, was man eigentlich dort wollte. Dr. Gabriel Radvansky, Psychologe an der University of Notre Dame in Indiana gibt hier Entwarnung: Solche gelegentlichen Erinnerungslücken seien kein Zeichen für einsetzenden Gedächtnisverlust. Das Erinnerungsvermögen verschlechtert sich schlicht dann, sobald wir den Aufenthaltsort ändern. Unser Gehirn identifiziert jeden Ort als neues Ereignis, das dann anders abgespeichert wird. Ändern wir unseren Aufenthaltsort, fokussiert es sich auf die neue Umgebung. Diese geistige Anstrengung hat dann wiederum negative Auswirkungen auf das Erinnerungsvermögen.

Physische Hilfsmittel können unser Gehirn laut Dr. Radvansky bei seiner Leistung unterstützen. So rät er bspw. auf der Suche nach einer Schere, Zeige- und Mittelfinger zu einer Schere zu formen, um den Gegenstand unserer Suche nicht zu vergessen.

 

Ausreichend Schlaf

Um Gelerntes im Langzeitgedächtnis zu verankern, benötigt unser Gehirn ausreichende Ruhephasen. Das ist schon bei Kleinkindern so: Eine Studie der US-amerikanischen National Academy of Sciences mit 216 Säuglingen im Alter von sechs und zwölf Monaten zeigte, dass Kinder, die nach dem Erleben neuer Lerninhalte eine halbe Stunde schliefen, einige Stunden später deutlich mehr Erinnerungen abrufen konnten als Kinder, die kein Nickerchen gemacht hatten.

Auch erwachsene Gehirne benötigen Schlaf, um neue Lerninhalte zu konsolidieren, wie die Neurobiologen Matthew Walker und Robert Stickgold der University of Berkeley bestätigen.

 

Handschriftliche Notizen

Um neue Informationen besser erinnern zu können, empfehlen Pam Mueller und Daniel Oppenheimer von der Princeton Universität, statt Tablet oder Laptop für Notizen zu benutzen, wieder mehr zu Stift und Notizblock zu greifen. In ihrer Studie wurden ProbandInnen gebeten, sich kurze Vorträge anzuhören, sich deren Inhalt zu merken und entweder handschriftlich oder mit elektronischen Hilfsmitteln Notizen zu machen. Anschließend sollten die ProbandInnen Fragen zu den Vorträgen beantworten – zum Einen reine Faktenfragen, zum Anderen solche, die ein tieferes Verständnis der Thematik erforderten. Während sich im Hinblick auf die Faktenfragen beide Gruppen glichen, schnitt die Gruppe, die sich handschriftlich Notizen gemacht hatte, bei den Verständnisfragen signifikant besser ab.

Die Forscher erkannten weiter, dass bei der Benutzung technischer Hilfsmittel wesentlich mehr Wörter mitgeschrieben würden. Und sie erklären obigen Effekt daraus abgeleitet, dass eine Tastatur offenbar dazu verleitet, mehr mitzuschreiben (quantitativ) und dabei aber weniger mitzudenken (qualitativ), worunter anschließend sowohl Verständnis als auch Gedächtnis leiden.

 

Pläne helfen der Konzentration

Der Zeigarnik-Effekt beschreibt das Phänomen, sich an unterbrochene, „unerledigte Aufgaben“ besser erinnern zu können als an abgeschlossene, erledigte Aufgaben: Werden wir bei Aufgaben unterbrochen oder haben wir viele unerledigte Aufgaben zu bewältigen, werden wir von unserem Unterbewusstsein immer wieder an diese erinnert. Das Ergebnis: Wir können uns nicht mehr konzentrieren und werden von lästigen Sorgen geplagt. Manche Aufgaben lassen sich aber nicht sofort erledigen. Roy Baumeister und John Tierney, Autoren des Buches: „Die Macht der Disziplin – Wie wir unseren Willen trainieren können“, empfehlen für diesen Fall, sich genaue Pläne aufzustellen. Sobald Ort, Zeit und andere Einzelheiten einer Aufgabe in einem Plan festgelegt seien, könne man sich wieder auf Anderes konzentrieren oder entspannen.

Der Zeigarnik-Effekt wird also nicht erst zum Schweigen gebracht, wenn die Aufgabe erledigt ist, sondern bereits dann, sobald ein Plan für die Erledigung vorliegt. Erinnert man nun, dass die Psychologie gerne das Denken als Probehandeln definiert, ist der Plan, bezogen auf den Zeigarnik-Effekt also bereits eine fixierte Handlungsanleitung, die nur noch operationalisiert werden will.

 

Das perfekte Gedächtnis oder die immerwährende Konzentration gibt es nicht. Aber wir können mit diesen einfachen Strategien dazu beitragen, unser Gehirn zu unterstützen.

 

Quellen:

Baumeister, R., & Tierney, J. (2012). Die Macht der Disziplin. Frankfurt a. M.: Campus.

Mueller, P. A., & Oppenheimer, D. M. (2014). The Pen Is Mightier Than the Keyboard Advantages of Longhand Over Laptop Note Taking. Psychological science, 0956797614524581.

Seehagen, S., Konrad, C., Herbert, J. S., & Schneider, S. (2015). Timely sleep facilitates declarative memory consolidation in infants. Proceedings of the National Academy of Sciences, 201414000.

Radvansky, G. A., & Copeland, D. E. (2006). Walking through doorways causes forgetting: Situation models and experienced space. Memory & cognition, 34(5), 1150-1156.

Walker, M. P., & Stickgold, R. (2014). Sleep, memory and plasticity. Neuroscience and Psychoanalysis, 1, 93.