Bevor die Seele ausbrennt: Meditation gegen Stress?

Wer ständig unter Stress steht, muss Methoden finden, um zu entspannen. Sonst wird die seelische Belastung zu stark. Wie aber entflieht man dem Alltag am effektivsten?

„Es ist der Geist, der sich den Körper baut,“ ließ schon Friedrich Schiller seinen Wallenstein erkennen. Die Meditation – noch vor einiger Zeit von der Schulmedizin als esoterischer Humbug belächelt – wurde von Neurowissenschaftlern als Mittel gegen Stress entdeckt. Verschiedene Meditationsmethoden konnten bei ProbandInnen nicht nur das empfundene Stresslevel reduzieren, sondern auch erstaunliche Veränderungen im Gehirn auslösen. Mehrere unabhängige Studien konnten nachweisen, wie richtig Schiller schon vor 200 Jahren lag: Der Geist kann den Körper verändern.

 

Messbare Veränderungen

Die Meditation, ursprünglich in vielen Religionen und Kulturen ausgeübte spirituelle Achtsamkeits- oder Konzentrationsübungen, durch die sich der Geist beruhigen und sammeln soll, lag noch vor Kurzem unter dem Ruch des Esoterischen. Vadimir Bostanov und Philipp Keune, Neuropsychologen am Institut Institute für medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie der Universität Tübingen, konnten inzwischen nachweisen, dass sich durch regelmäßiges Meditieren neurophysiologisch messbare Veränderungen im Gehirn abspielen. In ihrer Studie spielten ProbandInnen, die einen achtwöchigen Meditationskurs absolviert hatten, akustische Signale vor, maßen deren elektrische Hirnzellenaktivität und verglichen diese mit Werten einer Kontrollgruppe. Ihr Ergebnis war deutlich: Im Vergleich zur Kontrollgruppe reagierten die Gehirne der in Meditation Geübten deutlich stärker auf akustische Reize.

 

Ohne Ängste, ohne Grübeleien

Diese veränderte Gehirnaktivität korrespondiert sehr gut mit den Erfahrungen der Meditationskurs-Teilnehmer: Sie berichten, dass sie gelernt hatten, nicht mehr ständig zu grübeln, dafür endlich wieder klar denken zu können. Dadurch hatte ihr Gehirn Ressourcen frei, die sie den akustischen Signalen entgegensetzen konnten. In Meditation geübte Menschen können also die Dinge so sein lassen wie sie sind. Weniger ängstlich oder aufgewühlt lassen sie sich bei Weitem nicht mehr so stark durch ihren Alltag unter Druck setzen.

 

Meditation als Gesundheitsfaktor

Nicht nur psychische Probleme können durch Meditation gelindert werden. Ein Forscherteam um den Mediziner Robert Schneider von der Maharishi University of Management in Iowa untersuchte 201 Männer und Frauen, die gefährliche Engstellen an Herzkranzgefäßen aufwiesen. Sie teilten ihre ProbandInnen in zwei Gruppen auf und ließen eine Gruppe Transzendentale Meditation erlernen. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen eindrücklich, dass Mediation auch ein Gesundheitsfaktor sein kann. Denn die Gruppe, die meditierte konnte offensichtlich ihren Stress derart reduzieren und ihr Herz stärken, dass sie im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich weniger Infarkte und Schlaganfälle erlitt.

 

Wirksame Entspannung

Welche Art der Meditation am wirksamsten ist, wurde noch nicht erforscht. Die Schulen der Meditation sind weitläufig und bieten viele Möglichkeiten. Der Gießener Psychologe und Autor des Buches „Meditation für Skeptiker“, Ulrich Ott, rät, jede/r solle die Technik wählen, die ihm/ihr am besten gefalle.

Wichtig ist vor allem, eine Methode zu finden, aus dem Alltag zu flüchten und Stress zu reduzieren. Meditation ist eine dieser Methoden – noch dazu eine der gesündesten.

 

Quellen:
Bostanov, V., Keune, P. M., Kotchoubey, B., & Hautzinger, M. (2012). Event-related brain potentials reflect increased concentration ability after mindfulness-based cognitive therapy for depression: a randomized clinical trial. Psychiatry research, 199 (3), 174-180.

Ott, U. (2011). Meditation für Skeptiker: ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst. OW Barth eBook.

Schneider, R. H., Grim, C. E., Rainforth, M. V., Kotchen, T., Nidich, S. I., Gaylord-King, C., … & Alexander, C. N. (2012). Stress reduction in the secondary prevention of cardiovascular disease randomized, controlled trial of transcendental meditation and health education in Blacks. Circulation: Cardiovascular Quality and Outcomes, 5 (6), 750-758.

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Bevor die Seele ausbrennt: Was hilft gegen Stress?

Ständiger Termindruck, Hektik, Dauerbelastung, kaum Zeit für sich selbst… So sieht der Alltag vieler Menschen aus. Laut einer bisher unveröffentlichten Forsa-Umfrage schätzen fast die Hälfte aller Befragten ihre tägliche Belastung als stark bis sehr stark ein (!).  Bevor jedoch der Stress überhand nimmt und es zu einem sog. Burnout kommt, ist es wichtig, die Ursachen der Belastung zu kennen und zusätzlich für Entspannung zu sorgen.

 

Für viele Menschen bedeutet Alltag das Einhalten von Terminen, körperliche oder psychische Belastungen sowohl an ihrem Arbeitsplatz als auch in ihrer Familie und fast ständige Anspannung. Die Folgen sind Physische und psychische Einschränkungen, die auf Dauer zu ernsthaften Erkrankungen führen können. Wie aber kann man diesem Dauerstress entgegenwirken? Wissenschaftler untersuchten nicht nur unterschiedliche Entspannungsmethoden, sondern fanden auch heraus, dass Stress bei Männern und Frauen unterschiedliche Folgen hat.

 

Stresssymptome

Physische Symptome, die von Dauerbelastung ausgelöst werden, sind weit verbreitet. Schlafstörungen, Rücken- oder Kopfschmerzen zählen hierzu. So gibt laut einer Umfrage der DAK jede/r zweite Kopfschmerzgeplagte an, Stress als Auslöser für sein/ihr Leiden auszumachen. Besonders betroffen scheint die Gruppe der 30- bis 59-Jährigen zu sein: hier nennen über 50% Anspannung als Hauptursache ihrer Kopfschmerzen. Doch auch psychische Probleme werden durch Stress verursacht. Depressionen und Burnout führen zu immer höheren Fehlzeiten am Arbeitsplatz. Psychische Erkrankungen sind seit 2014 sogar die Hauptursache für Krankschreibungen, wie ebenfalls aus einer DAK-Umfrage hervorgeht.

Frauen leiden deutlich häufiger unter Stress als Männer. Dies kann oft auf ihre Doppelbelastung zurückgeführt werden: Viele Frauen sind beruflich eingebunden und müssen sich zusätzlich um die Familie und den Haushalt kümmern, wobei sie durch ihre Männer nicht die nötige Entlastung erfahren.

Doch konnten Forscher auch andere geschlechtsspezifische Unterschiede ausmachen.

 

Stress macht Männer egozentrisch und Frauen empathisch

Das ist die Kurzfassung der Ergebnisse einer Studie von Neurologen der Universität Wien, die der Frage nachging, wie sich Stress auf die Fähigkeit auswirkt, sich in andere hineinzuversetzen. Unter Stress verhielten sich die männlichen Probanden dieser Studie egozentrischer und weniger empathisch, die weiblichen Versuchspersonen jedoch konnten besser zwischen selbst- und fremdbezogenen Emotionen und Kognitionen unterscheiden – eine Fähigkeit, die als Grundlage für Empathie gilt. Für diese Unterschiede werden biologische Ursachen vermutet: So schütten Frauen unter Stress mehr Oxytocin aus, ein Hormon, das einen starken Einfluss auf die soziale Interaktion hat. Denkbar sind auch erziehungsbedingte und kulturelle Einflüsse, die dafür sorgen, dass sich Frauen in Stresssituationen empathischer verhalten.

Wenn aber kulturelle Einflüsse wirken, könnten sie nicht grundsätzlich Ursache von Stress sein?

 

Stress – ein Statussymbol?

Von dieser These gehen einige Sozialkritiker aus, die behaupten, dass die Aussage, man stünde unter Stress, ein Bekenntnis zum Leistungsprinzip und zum Wettbewerb sei. Somit bliebe den Menschen gar nichts anderes übrig, als zu behaupten, sie stünden unter Stress – und würden diesen dann auch empfinden. Das klingt zunächst weit hergeholt. Dennoch lohnt es sich, kurz darüber nachzudenken, wie man wohl darauf reagieren würde, wenn jemand sagte, er stünde an seinem Arbeitsplatz gar nicht unter Stress – er habe eine völlig stressfreie Arbeitsstelle. Würde man diesem Menschen nicht in gewissem Maß seine Tüchtigkeit absprechen?

 

Wirksame Entspannungsmethoden

Ob nun gesellschaftlich verursacht, biologisch verstärkt oder individuell unterschiedlich empfunden – wer unter Stress steht, muss Methoden finden, um zu entspannen. Sonst wird die seelische Belastung auf Dauer zu stark. Auch bei den Methoden zur Entspannung unterscheiden sich die Geschlechter: Sport treiben oder im Internet surfen scheint eine eher „männliche“ Entspannungsmethode zu sein, während Frauen dem Alltag gern mit einem Buch entfliehen.

Neurowissenschaftlicher entdeckten das Meditieren als Mittel gegen Stress und konnten bei ihren ProbandInnen nicht nur das empfundene Stresslevel reduzieren, sondern auch erstaunliche Veränderungen im Gehirn nachweisen. Der nächste Blog-Eintrag wird sich daher mit dieser Methode genauer befassen.

 

 

Quellen:
Fokus 37/2015. Frauen leiden mehr unter Stress. (S. 15).

Fokus online 11.10.2013. Kopfschmerz-Geplagte sehen Stress als häufigsten Auslöser.

Kissler, A. (2013). Die Stress-Lüge. Cicero online. 12.11.2013

Münchner Merkur, 11.09.2015. Kranke Psyche führt zu Fehltagen. S. 29.

Spiegel online 11.08.2014. Fehlzeiten wegen psychischer Belastung steigen stark.

Tomova, L., von Dawans, B., Heinrichs, M., Silani, G., & Lamm, C. (2014). Is stress affecting our ability to tune into others? Evidence for gender differences in the effects of stress on self-other distinction. Psychoneuroendocrinology, 43, 95-104.

 

Spezial zu Partnerschaft und Ehe: Konfliktstile: Gefahren und Chancen für die Partnerschaft

Der Umgang mit Konflikten ist ein entscheidender Faktor für die Entwicklung einer Partnerschaft. Der richtige Umgang mit ihnen kann zum erfreulichen Gelingen, der falsche jedoch unweigerlich zum fatalen Scheitern führen. Wie geht man nun mit Konflikten richtig um? Psychologische Studien offfenbaren, dass diese Frage stets individuell und zusätzlich nur zusammen mit dem/der PartnerIn beantwortbar ist.

Keine zwei Menschen ticken zu hundert Prozent gleich. Beim Zusammenleben sind daher Meinungsverschiedenheiten, kleinere und größere Reibereien sowie Streit geradezu unvermeidbar. Selbst dann, wenn man die gleichen Ziele, Werte und Träume teilt. Das Aufkommen eines Konflikts ist nicht gleichbedeutend mit dem drohenden Ende einer Partnerschaft – hier ist jedoch entscheidend, wie beide Partner damit umgehen. Dafür gibt es keine Patentlösung, die für alle gelten könnte. Psychologen der Universität Washington untersuchten in Langzeitstudien verschiedene Konfliktstile und deren Auswirkungen auf die Partnerschaft.

 

Drei markante Stile, wie Konflikte ausgetragen werden: Validators, Volatiles und Avoiders

Die Forschungsarbeit von Dr. Janice Driver und ihren Kollegen der Universität in Washington, in der über 300 Paare regelmäßig befragt wurden, ergab zunächst drei Stile, in denen Konflikte innerhalb von Partnerschaften ausgetragen werden. Sie beschreiben sie als Validators, Volatiles und Avoiders.

Bei Validators (engl. to validate: anerkennen, bestätigen, für gültig erklären) tauchen Meinungsverschiedenheiten grundsätzlich selten auf. Wenn beide ein Konfliktpotential erkennen, sprechen sie es offen und respektvoll an und sind dann schnell kompromissbereit. Sie akzeptieren die Emotionen und Ansichten ihres Partners, engen einander nicht ein und zeichnen sich durch starken gegenseitigen Respekt aus.

Bei Volatiles (engl. volatile: explosiv, brisant, verfliegend) dagegen geht es oft heiß her. Sie tragen ihre Konflikte mit Eifer aus, engagieren sich stark und leidenschaftlich. Diese Leidenschaftlichkeit zeigt sich aber nicht nur in Konfliktsituationen: Sie sind damit auch in der Lage,  ihre Wärme und Zuneigung füreinander sehr deutlich auszudrücken. So schaffen sie es, die negativen Emotionen, die während eines Konflikts entstehen, im Alltag wieder auszugleichen. Für sie ist es vorrangig wichtig, in jeder Situation deutliche Worte zu finden, und das erwarten sie auch von ihrem/r PartnerIn. So begegnen sie einander – auch während eines heftigen Streits – konsequent auf Augenhöhe.

Avoiders (engl. to avoid: vermeiden, umgehen, sich enthalten) jedoch vermeiden Konflikte, wo immer es möglich ist. Sie minimieren ihre Probleme, betonen positive Aspekte und blenden negative aus, um ja keine Konflikte entstehen zu lassen und den Alltag möglichst harmonisch zu gestalten. Entstehen dennoch Probleme, die sich nicht ad hoc lösen lassen, dann einigen sie sich lieber darauf, sich nicht einigen zu können, statt sich zu streiten („let’s agree to disagree“).

 

Der richtige Umgang mit Konflikten: Die gleiche Augenhöhe ist wichtig

Betrachtet man die drei Konfliktstile, die Dr. Driver und ihre Kollegen beschreiben, findet man sich gar selbst in einem davon wieder, stellt sich die Frage, welcher dieser Stile denn nun der Beste sei. Andersherum betrachtet: Welcher Stil mag für eine Beziehung am wenigstens förderlich sein?

Dr. Driver und ihre Kollegen gingen zunächst von der Annahme aus, dass vor allem Avoiders, Menschen also, die Konflikte möglichst immer vermeiden möchten, im Alltag schlechte Chancen haben, ihre Partnerschaft dauerhaft glücklich zu gestalten. So waren die Forscher sehr überrascht, als ihre Ergebnisse diese Vermutung nicht bestätigten. Im Gegenteil: Keiner der beschriebenen Konfliktstile zeigte sich als besonders vorteilhaft oder ungünstig (!).

Nicht der Konfliktstil selbst entscheidet also über Erfolg oder Scheitern einer Partnerschaft, sondern die Tatsache, dass die gleiche Art, mit Konflikten umzugehen, für beide Partner funktioniert. Nur so sind Begegnungen auf Augenhöhe möglich. Genau das ist aber entscheidend. Eine Person, die Konflikte lieber ganz vermeidet, wird mit jemandem, der gern leidenschaftlich streitet, kaum zurecht kommen. Jemand, der das Bedürfnis hat, Unstimmigkeiten sofort anzusprechen, wird Vermeidungsverhalten seines/r PartnerIn womöglich als Desinteresse missinterpretieren. Ein Mensch, der all seine Gefühle leidenschaftlich auszudrücken gewohnt ist, wird in jemandem, der sofort versucht, Kompromisse zu finden, kein adäquates Gegenüber finden.

Fazit: Der gleiche Konfliktstil muss also für beide Partner passen.

 

Die Forschungsergebnisse, die in dem Blog-Spezial zu Ehe und Partnerschaft präsentiert wurden, lassen deutlich erkennen: Weder die Anzahl der Konflikte noch der Konfliktstil bringt eine Beziehung zum Scheitern. Vielmehr ist es die Art, wie beide mit Konflikten umgehen. Und jede Form von Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten muss anschließend durch positive Interaktionen im Alltag wieder ausgeglichen werden. Gerade der gemeinsame Alltag zählt: Respekt und Zuneigung, die beide im alltäglichen Umgang miteinander zeigen, sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren einer Partnerschaft. Nur damit kann eine Partnerschaft auf Dauer glücklich gestaltet werden.

 

 

Quellen:
Driver, J., Tabares, A., Shapiro, A., Nahm, E. Y., Gottman, J. (2003). Interactional patterns in marital success and failure: Gottman laboratory studies. In F. Walsh (Ed.) Normal family process: Growing diversity and complexity (3rd ed., pp. 493-513) New York: Guilford Press.