Flugzeugabsturz in den französischen Alpen: Der Umgang mit plötzlichem Verlust – und was wirklich zählt

Themen wie Tod und Sterben sind in unserer Gesellschaft weitgehend aus dem Alltag verbannt. Erst Katastrophen wie der kürzliche Absturz des Germanwings-Flugs 4U9525 führen vielen vor Augen, wie plötzlich und unerwartet persönliche Verluste über Menschen hereinbrechen können. Sie werfen Fragen auf, mit denen man sich im Alltag selten beschäftigt.

 

Nach dem Flugzeugabsturz am 24. März diesen Jahres, bei dem alle 150 Insassen ums Leben kamen, wirkte Deutschland wie gelähmt. Den Angehörigen der Opfer gilt unser aller Mitgefühl für ihren schmerzlichen Verlust. Viele von uns fragen sich gleichzeitig, wie sie selbst mit einer solchen Nachricht umgehen könnten, was Betroffenen wirklich hilft und wie mit dem Beuwsstsein umgegangen werden kann, dass man auch jederzeit selbst urplötzlich mit einer solchen Tragödie konfrontiert sein könnte.

 

Bewältigung von Trauer und Verlust

Die Trauer ist eine sinnvolle Reaktion auf viele negative Erlebnisse. Dazu gehören neben dem Tod eines geliebten oder nahestehenden Menschen auch Situationen, in denen Abschiede, Trennungen und Enttäuschungen erlebt werden oder in denen einem bewusst wird, dass man ganz Wichtiges unwiderbringlich versäumt hat oder dass man bestimmte Lebensziele nun nie mehr erreichen kann. Psychologen und Psychotherapeuten müssen oft beobachten, dass der Trauer in unserer schnellebigen, sich ständig verändernden Zeit zu wenig Raum und Zeit eingeräumt wird. Gerade das aber wäre zur Bewältigung einer Verlustkrise essenziell wichtig.

 

Trauer ist individuell

Die Professorin für Psychologie Verena Kast beschrieb bereits 1982 die vier Phasen der Trauer: Während der ersten Phase, der Verleugnung, wollen Betroffene die Tatsache des Verlusts erst einmal einfach nicht wahrhaben, oft befinden sie sich in einem regelrechten Schockzustand, bewegen sich sogar wie in einer Art Trance. Die zweite Phase ist gekennzeichnet von aufbrechenden, teils widersprüchlichen Gefühlen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen, körperlichen Beschwerden und dem unablässigen Kreisen der Gedanken um den schmerzlichen Verlust. Das Leben erscheint nun nicht mehr lebenswert. In der dritten Phase, der Phase der langsamen Neuorietierung, werden noch immer starke Stimmungsschwankungen erlitten, Trauer und Hass lassen jedoch langsam nach und sind nicht mehr so intensiv. In der letzten Phase erreichen Trauernde endlich ein neues Gleichgewicht. Trotz der verbleibenden Wehmut und dem Bewusstsein, den erlebten Verlust nie ersetzen oder vergessen zu können, ist ein vertrauensvoller Blick auf die Zukunft möglich, Alltagsaufgaben können wieder bewältigt werden.

Dr. Dr. Herbert Mück, Arzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapeut, warnt dennoch davor, Menschen, die von Verlust betroffen sind, vorzuhalten, wie sie zu trauern haben. Er betont, dass letztlich jeder Mensch individuell trauert. Auch die Forscher James Gilliesa vom Forensic Health Service in Albuquerque und Robert A. Neimeyer, Psychologe an der Universität von Memphis, betonen, dass es verschiedene Strategien der Verlustbewältigung gibt, die prinzipiell gleichberechtigt sind: Manche Trauerprozesse sind gekennzeichnet durch emotionales Durchleben der Trauer, andere durch den Versuch, das Geschehene zu verstehen, wieder andere durch Aktivitäten zur Bewältigung des entstandenen Chaos. Auch beschränktes Weiterfunktionieren bzw. Verdrängen kann eine funktionierende Art der Bewältigung sein. Manche Menschen trauern jahrelang, andere nur Wochen oder Monate. Männer stürzen sich eher auf Aktivitäten, Frauen reagieren mit Rückzug und Appelle um Hilfe. Für Außenstehende ist es wichtig zu akzeptieren, dass keine Form der Trauer nachweislich „besser“ oder „gesünder“ ist.

 

Den Verlust akzeptieren und aus Trauer lernen

Ein schwerer Verlust fühlt sich für viele Betroffene so an, als haben sie einen Teil ihrer Persönlichkeit verloren. Neue Strategien müssen entwickelt, emotionale Prozesse durchlebt, das eigene Weltbild der neuen Situation angepasst werden. Dies erfordert vor allem Zeit und Ruhe. Außenstehende tun gut daran, Betroffene zu unterstützen, indem sie vor allem deren individuelle Art der Trauer mit Achtung begegnen, sich immer wieder erkundigen, was die Betroffenen möchten und in mit ihnen in Kontakt bleiben.

Auch diese indirekte Art Trauer zu erleben, kann dazu führen, Neues zu lernen: Sie weist auf die Vergänglichkeit des Lebens hin und darauf, dass nichts selbstverständlich ist. Die Beschäftigung mit den Themen Sterben und Tod, die in unserer Gesellschaft geradezu tabuisiert werden, kann dabei helfen herauszufinden, was im Leben wirklich wichtig ist und Wege aufzeigen, sich um diese Dinge oder insbesondere Menschen zu kümmern, solange es noch möglich ist.

 

 

Quellen:
Gillies, J., & Neimeyer, R. A. (2006). Loss, grief, and the search for significance: Toward a model of meaning reconstruction in bereavement. Journal of Constructivist Psychology, 19(1), 31-65.

Kast, V. (2015). Trauern: Phasen und Chancen des psychischen Prozesses. Freiburg: Herder.

Mück, H. (2014). Umgang mit Trauer. abgerufen von: http://www.dr-mueck.de/HM_Depression/HM_Trauer.htm 03.04.2014

Coaching: Psychohygiene rechnet sich – denn trübsinnige Stimmung führt zu kurzsichtigen Entscheidungen

Die klassische Coaching-Empfehlung von Dr.Lermer, wichtige Entscheidungen nicht im Stimmungstief, sondern im Plus-Zustand zu treffen, wurde wieder einmal wissenschaftlich bestätigt. Die Harvard-Professorin Jenniver Lerner und ihr Team konnten belegen, wie eine traurige Stimmunslage direkt zu negativ irrationalen Entscheidungen führt. In ihrem  Experiment stellte sie 600 Versuchspersonen die klassiche Frage, ob sie lieber einen kleineren Geldbetrag von 25 Dollar sofort oder 85 Dollar wählen würden, wobei es den größeren Geldbetrag nicht sofort, sondern erst in ein paar Wochen gibt. Dann wurden den Subgruppen a) ein  trauriger Film b) ein ekliger und c) gar kein Film dargeboten. Signifikant unterschiedlich zu den anderen Gruppen entschieden sich die Betrachter a) des traurigen Films für das schnelle kleine Geld, und damit für die schlechtere Variante.

Fazit:  Traurigkeit schlägt Hoffung und Vertrauen und (ver-)führt zu kursichtigen Entscheidungen. Lerner nenn das Phänomen myopic misery. Unsere Empfehlung daraus: In Situationen trauriger Stimmung entweder die Ursachen dafür auflösen, sich ablenken oder abwarten („wait and see“). Und Entscheidungen  erst wieder dann treffen, wenn man hoffnungsgeladen und voller Vertrauen aufs Gelingen wieder souverän und damit in der Lage ist erfolgreiche Entscheidungen zu treffen.

Quelle:  Lerner, Jenniver S., Weber, Elke U., The Financial Costs of Sadness. Psychological Science 2012, 13