Gesellige Menschen haben ein besser organisiertes Belohnungssystem

Eigentlich hatte er das so nicht erwartet.

Vor allem nicht so deutlich. Dr. Graham Murray von der renommierten University of Cambridge forscht über ernste psychische Erkrankungen. Er wollte nachweisen, dass Schizophrenie-Patienten und Autisten, die erhebliche Probleme bei sozialer Interaktion haben, in bestimmten Hirnregionen, die für Belohnung und das Empfinden von Glück mitverantwortlich sind, weniger Nervenzellen (Neuronen) haben als gesunde Menschen.

Dazu legte er zunächst gesunde Probanden in einen Magnetresonanztomografen (MRT) und vermaß deren „Belohnungssystem“ – ein Verband von Nervenzellen, der sich von tief liegenden subkortikalen Hirnstrukturen zum Orbitofrontalen Kortex direkt über den Augen zieht. Vorab gab er ihnen einen Persönlichkeitsfragebogen, aus dem er ihre ’social reward dependence‘ berechnete – also die Tendenz, soziale Situationen aufzusuchen, die Fähigkeit, diese Situationen zu genießen und eine gewisse (positive, gesunde) Abhängigkeit vom Austausch mit anderen Menschen.

Das Ergebnis: Geselligere Menschen besaßen zum einen mehr Neuronen im Ventralen Striatum, von wo aus glücksstimulierende Botenstoffe gesendet werden. Zum anderen war die Neuronendichte auch im Orbitofrontalen Kortex bei den Kontaktfreudigen höher. Diese Unterschiede bestanden also bereits bei Gesunden, die sich einzig und allein in ihrer Kontaktfreudigkeit unterschieden. Ein weiteres Indiz dafür, dass soziale Interaktion und Kommunikation in einem engen Zusammenhang mit dem Empfinden von Glück stehen.

Murray ist allerdings vorsichtig bei der Interpretation seiner Ergebnisse. Er sieht vor allem zwei mögliche Schlussfolgerungen: Zum einen, dass Kontaktfreudigkeit und Interaktion das Belohnungssystem stärken und somit auf lange Zeit die Grundlage für eine Tendenz zum Glücklichsein schaffen. Zum anderen, dass gesellige und kontaktfreudige Menschen von Haus aus über ein weiter entwickeltes Belohnungssystem verfügen – dass es also eine Disposition zum Glück gibt.

Die Mehrzahl der existierenden psychologischen Untersuchungen spricht für die erste Hypothese. Allerdings kann die Zerstörung von Neuronen oder die Störung des Gleichgewichts von Botenstoffen im Gehirn – wie es zum Beispiel bei Depression oder Schizophrenie vorkommt – auf lange Sicht auch unser Belohnungssystem ‚verkümmern‘ lassen.

Vermutlich sind beide Annahmen wahr. Um die Frage zu klären, sind letztlich wohl Langzeitstudien erforderlich. Und doch wird wieder einmal klar: Kommunikation und soziale Interaktion sind wichtige Schlüssel zum Glück.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Murray, GK et al. (2009). The Brain Structural Disposition to Social Interaction. European Journal of Neuroscience, published online 20 May 2009