Wann machen Lotto-Millionen happy?

Glücksforscher Dr. Stephan Lermer zum schweizer Rekord-Jackpot im Blick.ch-Interview.

Er ist der Experte, wenn es um unser Glück geht. Der renommierte Münchner Psychologe Stephan Lermer (65) erforscht seit Jahren, was Menschen zufriedener macht. Und er kommt zum Schluss: «Jeder hat mal Glück!»

Damit das auch beim Lottospielen so bleibt, gibt der Glücksforscher seine Geheimnisse preis. «Wichtig ist, dass sie sich schon am Spiel erfreuen», so Lermer. «Bei 39,5 Millionen Franken im Jackpot ist der Lotto-Spass ein Massen-Erlebnis. Fiebern sie mit, sind sie dabei. Das ist doch schon ein erstes Highlight!»

Kommt der plötzliche Gewinn tatsächlich, sei aber Vorsicht geboten. «Menschen, die im Lotto gewinnen, sind in erster Linie überfordert», sagt Lermer. «Deshalb empfehle ich, tief durchzuatmen und zu schweigen.» Der Psychologe warnt vor überstürztem Handeln. «Es ist nicht wirklich schlau, den Job sofort zu kündigen und dem Chef mal so richtig die Meinung zu sagen», rät er.

Ein grosser Gewinn lockt Schmarotzer und Neider an. Dazu kommt die Angst, das Geld schnell wieder zu verlieren. Fluch statt Segen? «Die Forschung zeigt, der Lottogewinn macht glücklich, wenn ein Teil des Geldes gespendet wird. Anderen Menschen zu helfen, befriedigt», sagt Lermer. Und auch die Investion in die persönliche Weiterentwicklung sei eine gute Wahl. «Jetzt können Sie sich ein Studium leisten, bilden Sie sich weiter.»

Das Geld für Luxusgüter zu verprassen, sieht Lermer als Verschwendung. «Das macht langfristig nicht glücklich. Beim Kauf werden zwar Glückshormone ausgeschüttet, die flachen nach zwei Wochen wieder ab», so der Psychologe. «Und schliesslich steht man auch mit einem Ferrari irgendwann im Stau.»

[zu finden unter: blick.ch]

 

 

Hilton Talk München – Interview mit Dr. Stephan Lermer zum Thema „Burn-On statt Burnout“:

„Onkel Dagobert ist ein armes Schwein“: Interview mit Dr. Stephan Lermer.

Das Gespräch führte Michael Märzheuser (www.maerzheusergutzy.com)

Dr. Stephan Lermer definiert Burnout nicht als Krankheit, sondern als eine natürliche Reaktion eines gesunden psychosomatischen Systems auf langandauernde Überforderung. Für den Burn-On empfiehlt er Selbstreflexion und eine stärkere Würdigung der Zeit. Im Interview spricht er zudem über positiven Stress, die Opferrolle gehetzter Menschen und eine einfache Glücksformel.

MEDIEN-MONITOR: Die Zeit wird immer knapper, der Takt der Arbeitswelt schneller. Wenn sich die Gesellschaft beschleunigt, wie kann ich mich persönlich dann entschleunigen?

Dr. Stephan Lermer: Aus evolutionärer Sicht haben wir zwei widersprüchliche Programme in uns: Wir sollen sowohl Konstanz als auch Wandlung leben. Bei Entwicklungen wie im Augenblick sind wir besonders als Pioniere gefragt: denn wir werden bestimmt von der Dromokratie, der Macht der Geschwindigkeit plus der Infokratie, der Macht der Informationsfülle. Zusätzlich erleben wir eine nie gekannte Verdichtung unserer Arbeitswelt.

Wir alle kennen den Satz von Charles Darwin: „Survival of the fittest“. Die meisten übersetzen ihn mit „überleben werden die Stärksten“. To fit heißt aber auch „sich anpassen“. Ich meine, diejenigen werden überleben, die sich gut an die aktuellen Gegebenheiten anpassen können. Das heißt aber nun nicht, dass man deshalb ein angepasstes Opfer, ein willfähriger Opportunist werden muss. Eher ein Könner in erfolgsorientierter Assimilation.

Wir leben in einer Welt der Multi-Optionalität bei gleichzeitigem Optimierungsdrang. Würde man total in diese Falle gehe, wäre man verloren. Deshalb müssen wir paradoxerweise einen Schritt zurück gehen. Wenn ich gut damit leben kann, dass der Computer, den ich gestern gekauft habe, morgen zehn Prozent günstiger ist, bin ich einen Schritt weiter gekommen.

MEDIEN-MONITOR: Wir sind ständig gehetzt und müssen möglichst effizient arbeiten. Wie wirkt sich diese Arbeitsweise auf unsere Seele aus?

Lermer: In unserer Kultur neigen wir dazu, die Verantwortung für die eigene Lebensführung zu delegieren, an Sachzwänge, die Umstände etc.  Man sagt z.B.: „Ich kann nicht“ oder „ich muss“. Wir sollten lernen, dass Verantwortungsübernahme auf Dauer die einzige Lösung ist. Das Abgeben von Verantwortung an die Umstände würde uns zu Opfern machen und zum Gegenteil dessen, was wir sein wollen, nämlich die Gestalter unserer eigenen Lebensführung.

MEDIEN-MONITOR: Wie schafft man es trotz des zunehmenden Zeitdruckes, dem Effizienzdenken zu widerstehen?

Lermer: Hier kann man sich als erstes fragen, was man wirklich beklagt! Das sind die Pfeiler der Opferposition. Um sich zum konstruktiven Gegenstück, zum Gestalter zu emanzipieren, gilt es, sich das positive Pendant der beklagten Attribute zu vergegenwärtigen. Statt „gehetzt“ verfolge ich beispielsweise „entspannt“, „gelassen“, oder am besten: „souverän“ zu sein. Viele Menschen lassen sich dennoch hetzen. Machen sich zum Opfer der Umstände.

Mein ältester Coaching-Klient war 86 Jahre alt, ein sehr erfolgreicher Unternehmer. Er kam wegen seiner Kinder zu mir und bedauerte, dass es ihm nicht gelungen war, seinen persönlichen Arbeitsstil an seinen Nachwuchs zu tradieren. Der Klient hatte früher Öle und Gewürze aus Südamerika und Kuba importiert. Mit der Schiffsladung kamen häufig Geschäftspartner zu Besuch. Nach Vertragsabschluss zogen sich die Handelspartner ins Herrenzimmer zurück und feierten den Deal mit Whiskey und Havannas. Man philosophierte und dankte Gott, dass die Ladung nicht durch einen Sturm vernichtet worden war. Mein Klient klagte nun aber, dass keines seiner Kinder derartige Ereignisse zelebrieren könne. Sobald ein wichtiges Etappenziel erreicht wurde, gingen sie zum nächsten Auftrag über: „pitching gewonnen, next please“. Dabei wäre eine Feier-Pause nach so einem Ereignis psychohygienisch sehr klug! Viele meiner Coaching-Klienten würden wahrscheinlich nicht einmal schlafen, wenn sie nicht schlafen müssten. Sie würden ökonomisch aktiv sein, weil der Markt es scheinbar diktiert.

MEDIEN-MONITOR: Wir haben ein Zitat von Ihnen im Internet gefunden. Es lautet: „Nicht Unglück ist das Gegenteil von Glück, Langeweile ist das kleine, das große Gegenteil ist die Depression.“ Können sie das erklären?

Lermer: In der Glücksforschung differenziere ich drei Glücksbegriffe. Erstens, Glück haben im Sinn eines Lottogewinns. Zweitens, Glück gehabt haben im dem Sinn, einem Unglück entgangen zu sein. Und drittens das Glücklichsein, also nicht luck, sondern happiness, nicht bonne chance, sondern fortune.

Wir Menschen sind Kontrastwesen und schätzen etwas mehr, wenn wir das Gegenteil davon kennen. Das kleine Gegenteil von Glück, das ist die Langeweile: wenn wir unterfordert sind und gerade nicht wissen, welche Vision wir haben, wohin wir streben, wo wir den Hebel ansetzen und wie wir unsere Energie einsetzen können, dann sind wir gelangweilt und unglücklich. Wenn wir nun aber auf Dauer gar keine Möglichkeit haben, Glück zu erreichen, kann sogar eine Depression auftreten. Man spricht hier von „erlernter Hilflosigkeit“. Glück und Depression kann man deshalb als Polaritäten erachten. Ich vertrete die Sichtweise, dass eine Depression meist die natürliche Reaktion einer gesunden Psyche auf Verlust ist. Parallel dazu neige ich immer mehr dazu, Burnout als eine natürliche Reaktion eines gesunden psychosomatischen Systems auf langandauernde Überforderung zu definieren – vergleichbar mit einer überlasteten Sicherung, die mit der Zeit durchschmort. Ähnlich wie Fieber.

Wenn man bedenkt, woher das Wort Burnout abgeleitet ist, wird das Bild noch klarer: Burnout nennt man das spektakuläre Verschmelzen der Hinterreifen, wobei trotz maximalem Vollgas das Auto oder das Motorrad durch die blockierten Vorderbremse dennoch auf der Stelle stehen bleibt oder sich höchstens im Kreis dreht und damit die Reifen verschmort.

MEDIEN-MONITOR: Weshalb sind Frauen häufiger vom Burnout betroffen als Männer?

Lermer: Meiner Ansicht nach deshalb, weil sie nicht trainiert sind, den roten Bereich in ihrem persönlichen Drehzahlmesser zu berücksichtigen. Frauen waren in den vergangenen Jahrtausenden damit beschäftigt gewesen, konstante Tätigkeiten auszuführen: sie haben Kinder und Alte versorgt, gesammelt, geerntet, gekocht und den Alltag gemeistert. Männer wurden hingegen trainiert, kurzzeitig Spitzenleistungen zu erbringen – etwa bei der Jagd, im Sport, im Krieg. Plötzlich müssen heute auch die Frauen Spitzenleistungen liefern. Doch im Gegensatz zu Männern haben sie noch nicht gelernt „jetzt reicht es mir“ zu sagen, sondern bemühen sich darum, Spitzenleistungen konstant zu erbringen. Natürlich ist das nur ein Faktor. Oft ist es auch die Kombination der vielfach ungelösten Mehrfachbelastung.

MEDIEN-MONITOR: Welche Rolle spielt der Stress im Leben?

Lermer: Hans Selye hat den Begriff Stress geprägt. Seiner Ansicht nach ist Stress das Maß der Belastung eines Systems. Wenn er zu groß oder zu gering wird, sprechen wir von Distress. Wenn er optimal dosiert ist, sprechen wir vom Eustress. Der in Chicago lehrende ungarische Glücksforscher Mihaly Csikszentmihaly hat gezielt Berufsgruppen wie Chirurgen, Berufstänzer, Bergsteiger und Schachspieler untersucht. Dabei hat er herausgefunden, dass jene Menschen, die ihre Berufung gefunden haben und selbstvergessen in ihrer Tätigkeit aufgehen im Tun, einen „Flow“ erleben. Die meisten Menschen spüren so etwas aber nur beim Hobby oder im Sport. Dann bekommen sie rote Ohren, Glanzäuglein und vergessen die Zeit. Man kann den Flow jedoch auch beruflich erreichen und dabei erfahren, dass Stress, wenn er optimal dosiert ist, regelrecht förderlich sein kann. Es geht um die angemessene Herausforderung und Belastung: nicht zu viel und nicht zu wenig.

MEDIEN-MONITOR: Wie helfen Sie Ihren Patienten, wenn diese mit einem Burnout-Syndrom zu Ihnen kommen?

Lermer: Jeder Patient braucht eine maßgeschneiderte Psychotherapie, oder auch Coaching. Denn jeder Mensch hat eine andere Persönlichkeit und eine andere Herkunft. Allein die Position in der Geschwisterreihe prägt die essentiellen Lebensentscheidungen. Es hängt viel davon ab, ob Sie Erstgeborener, Letztgeborener oder Sandwichkind sind. Erstgeborene zum Beispiel ergreifen überzufällig häufig konservativere Berufe. Letztgeborene werden eher Psychologen, Journalisten oder Medienleute. Sandwichkinder sind am ehesten psychotherapiebedürftig, weil sie keine eindeutige Rolle mitbekommen hatten: Sie waren weder die vernünftigen Ältesten noch die charmanten Jüngsten. Ich berücksichtige also immer die Familienkonstellation eines Patienten. Zudem ist es wichtig, ob zuhause offen kommuniziert wurde oder ob der Patient Probleme meist allein mit sich ausgemacht hat. Zu beachten gilt überdies, ob der Klient psychologisch fortgebildet oder Anfänger ist.

Gerade beim Coaching baue ich auch gerne die Profession des Klienten ins Coaching ein: einem 46-jährigen Architekten habe ich zum Beispiel vorgeschlagen, dass wir gemeinsam eine Altbausanierung seines Persönlichkeitsgebäudes vornehmen.

In der Regel kommen die Klienten einmal in der Woche zu mir, höchstens zweimal in der Woche. Man braucht schließlich zwischendurch Zeit zum Verarbeiten.

MEDIEN-MONITOR: Welche Tipps geben Sie zur Burnout-Vermeidung?

Lermer: Ich gebe weniger Tipps, sondern vermittle eher Strategien. Ich betreue zum Beispiel einen Klienten, der ein Unternehmen mit 50 Angestellten aufgebaut hat. Irgendwann litt er unter den acht Stunden Firmenpräsenz am Tag. Heute ist er nur noch drei Stunden pro Tag in der Firma und geht ansonsten in die Berge oder in den Wald. Dabei ist er aber immer erreichbar für Extremfälle. Ein weiterer Klient geht von sich aus gar nicht mehr in seine eigene Firma, sondern nur dann, wenn etwas nicht delegierbar ist. Er sagt, dass seine Mannschaft so gut sei, so dass er nur störe, wenn er ins Unternehmen kommt. Diese Form der Führung nennt sich Management by Exception.

Um einen Burnout zu vermeiden, muss man zudem über Zeitkompetenz verfügen. In diesem Kontext sind Pausen sehr wichtig. Die Forschung sagt, dass 20 Minuten Entspannung zwischen zwei und drei Uhr nachmittags den größten Erholungseffekt haben. Neben der Einstellungsänderung gilt es, noch ein paar Psychostrategien auf der Verhaltensebene zu beachten. Das altehrwürdige autogene Training ist zum Beispiel eine Technik, die jeder lernen kann und die keine Nebenwirkungen hat. Wir alle können uns auf Knopfdruck aufregen, aber wir können nicht auf Knopfdruck runterfahren. Yoga oder autogenes Training helfen uns dabei, das auf Dauer dann auch zu können.

MEDIEN-MONITOR: Gibt es eine Glücksformel?

Lermer: Wohlhabende Menschen wie Warren Buffet oder Bill Gates spenden Milliarden, weil sie Freude daran haben. Jeder gesunde Mensch, der etwas Neues entdeckt oder im Lotto gewonnen hat, will teilen oder mitteilen. Die Glücksforschung sagt, dass es sehr wichtig ist, andere glücklich zu machen. Das ist die zentrale Faustregel, wenn man selbst glücklich werden möchte. Onkel Dagobert ist eigentlich ein armes Schwein: einsam seinen Reichtum zu horten ist keine Glücksquelle, vielmehr wenn wir unsere Freunde und den Partner glücklich machen. Und das fängt mit einem Lächeln an. Sobald ich lächle, bekomme ich ein oder sogar mehrere Lächeln zurück – das ist die beste Investition, die es gibt. Meist mit einer umwerfenden Rendite.

MEDIEN-MONITOR: Wie steht es dann um den Egoismus?

Lermer: Erich Fromm hat die glückspendende Formel des „gesunden Egoismus“ geprägt. Dieser Egoismus geht nicht auf Kosten anderer. Seine eigenen Möglichkeiten aber darf und sollte jeder Mensch ausreizen.

MEDIEN-MONITOR: Wie definieren Sie Glück?

Lermer: Ganz verschieden. Die Tochter des verstorbenen österreichischen Glücksforschers Herbert Laszlo hat gerade ein Buch mit dem Titel „Fuck happiness“ veröffentlicht. Die verzweifelte Glückssuche kann also auch unglücklich machen. Glück ist für jeden je nach seiner Bedürfnispalette und Wertehierarchie  einmalig.

Ich persönlich definiere Glück als einen Zustand von Freiheit ohne Angst, als das Gefühl, angekommen zu sein, kurzfristig und ganz tief ein Gefühl von Gelingen zu empfinden.

MEDIEN-MONITOR: Kann man Glück lernen?

Lermer: Ja, durch klare Strategien und insbesondere durch Selbsterkenntnis. Ich muss mich fragen, was mir gut tut und was mir schadet. In meinen Vorträgen übers Glück konfrontiere ich das Publikum gerne mit einem kleinen Weltempfänger: bei dem zieht man die Antenne heraus und stellt einen Sender ein, etwa BBC oder den Bayerischen Rundfunk. Wir fangen lediglich ein Signal ein und verstärken es. Die befinden sich ja stets bereits um uns herum, sind alle schon im Raum. Ähnlich verhält es sich mit dem Glück: Das ist schon längst da, um uns herum, man muss es nur einfangen und verstärken. Das Glück sucht nach einem guten Landeplatz.

Auch das bewusste Training von Aktivität, Extraversion und Kommunikation mit Freunden fördert Glück. Allerdings darf man es nicht übertreiben. Für mehr als drei wirklich gute Freunde fehlt meist die Zeit. Zum Glück gehört aber auch eine gute Partnerschaft, sowie die Fähigkeit zu Demut und Dankbarkeit und natürlich viel Humor. Ich arbeite gerne mit der Abkürzung liD: die liebevolle, ironische Distanz: die lorioeske Sichtweise erachte ich als enorm wichtig, man darf die Dinge nicht zu ernst nehmen.

MEDIEN-MONITOR: Wie gelingt der Burn-On?

Lermer: Der Einzelne sollte erkennen, welche Bedürfnisse ihm wichtig sind. Ob ich gerne esse oder lieber Marathon laufe, ob ich gerne ein teures Auto fahre oder lieber gar keines, ist individuell. Neben der Bedürfnispalette zählt die persönliche Wertehierarchie. Bei Umfragen nach den wichtigsten Werten steht die Gesundheit meistens an erster Stelle. Für Männer steht meist die Arbeit, für Frauen meist die Partnerschaft gleich an zweiter Stelle. Doch wenn man genau hinschaut, ist ein Wert noch basaler als die Gesundheit: Die Zeit. Auch ein kranker Mensch hat die Chance, weiter zu leben. Deshalb ist die Zeit unser höchstes Gut. Die zentrale Frage ist: Was machen wir mit der Zeit? Vertreiben wir sie? Schlagen wir sie tot? Man sollte die Zeit, die man noch hat, stärker würdigen. Wenn wir uns bewusst vor Augen führen, was wir mit dieser Zeit tun sollten, um unser Leben als gelungen zu bezeichnen, dann haben wir die Lösung. Dafür brauchen wir eine realisierbare Vision, für die wir uns begeistern, für die wir brennen, und erfolgsorientierte Strategien, die zu uns und unseren Fähigkeiten passen. Dann fließt es.

Das Gespräch führte Michael Märzheuser beim Hilton Talk am 21. November 2012 in München.

Glücklichsein läßt uns länger leben (anti-aging)

Als bahnbrechend wird in wissenschaftlichen Kreisen die sogenannte „Nonnen-Studie“ zitiert, die sich durch einen Zufall ergeben hatte: In den  30er Jahren hatte der Abt die Novizinnen gebeten einen kurzen Lebenslauf zu schreiben. Da las man also entweder: „Das vergangene Jahr … war sehr glücklich. Nun bin ich voll erwartungsvoller Freude …“ oder aber: „Mit Gottes Hilfe will ich das Beste für unseren Orden …“. Nun, diese Pflichtorientierte wurde 59 Jahre alt, ihre glückliche Kollegin „voller Freude“ ganze 98.
Im Jahr 2000 konnte die amerikanische Forschergruppe um Danner eine Inhaltsanalyse dieser Lebensläufe vornehmen, welche die 18-32 Jahre alten angehenden Nonnen beim Eintritt geschrieben hatten.
Es zeigte sich, dass diejenigen der 178 Nonnen, die damals überwiegend positive Begriffe wie z.B. „Glück“, „Freude“, „göttliche Liebe“ etc. geschrieben hatten, in der Folge durchschnittlich 10 Jahre länger lebten als ihre Mitschwestern.
Der Vergleich ist deshalb so interessant, weil Nonnen weitgehend dieselbe Lebensform praktizieren, was bei anderen Zielgruppen sehr selten zu finden ist. Deshalb ist die Interpretation des Ergebnisses auch höchst legitim, weil sich sonst kaum Faktoren finden, die ursächlich  wären, als die Ausrichtung der persönlichen Haltung bzw. Einstellung.
Allerdings wird vor einer Generalisierung gewarnt, denn Nonnen führen ein im Vergleich zu anderen Menschen ziemlich streßbefreites Leben. So läßt es sich leichter alt werden, gilt Stress doch als einer der größten Killer in puncto Lebenserwartung.
Eine neuere Meta-Studie des bekannten europäischen Glücks-Experten Veenhofen aus den Niederlanden brachte 2008 zutage, dass generell, (dazu muss man also keine Nonnen sein), glückliche Menschen zwischen sieben und zehn Jahre länger leben.
Man wird also nicht nur älter, sondern auch glücklicher älter.

Quellen:
Danner, D.P., et al. (2001), Positive emotions in early life and longevity: Findings from the Nun-study. J.Pers.Soc.Psychol., 80, 804-813
Veenhoven, R. (2008), Effects of happiness on physical health and the consequences for preventive health care. J.Happ.Studies, 9, 449-469

 

Eheberatung: Paare herhören – was/wie Sie schreiben, sagt mehr aus, als Sie denken

Chatten Sie ab und zu mit Ihrem Partner? Wenn ja, dann sollten Sie vorsichtig sein: Das, was Sie schreiben, sagt mehr aus, als Sie denken!

Dies beweist eine Studie des Psychologen Richard B. Slatcher von der Wayne State University und seinen Kollegen. Die Forscher analysierten Chatinhalte von 68 Paaren über einen Zeitraum von 10 Tagen. Die ausgewählten Paare hatten ein Durchschnittsalter von 19 Jahren und schrieben sich fast täglich „Instant messages“.
Zudem gaben die Probanden das Maß ihrer Beziehungszufriedenheit an.
Die Analyse der verwendeten Wörter brachte spannende Erkenntnisse zum Vorschein:  Bei Paaren, bei denen die Frau häufiger „ich“ in ihren Sätzen verwendete, schien die Beziehung stabiler zu sein. Zudem waren sowohl Mann als auch Frau sichtlich zufriedener. „Diese Beziehungen funktionieren besser, da die Frau sich dem Partner gegenüber mehr öffnet und mehr von sich preis gibt,“ so Slatcher. Für Männer, die häufig „ich“ verwendeten, war der Vorteil nicht ganz so groß. Hier gab es nur einen kleinen Unterschied in der Zufriedenheit im Vergleich mit Männern, die „ich“ selten verwendeten. Wenn Männer oft „mir“ oder „mich“ schrieben, hatte das sogar einen negativen Effekt auf die Beziehung! Auch die häufige Verwendung von „du“ war nicht gerade positiv.

Was kann Mann also tun, um die Beziehung via Sprache zu verbessern?

Die Antwort überrascht kaum: über Gefühle reden, also auch Gefühle aussprechen! Männer mit einem „schnulzigeren“ Schreibstil, der häufiger Worte wie „Liebe“ oder „glücklich“ enthielt, waren zufriedener in ihren Beziehungen und die Liebe hielt zudem länger!

Spannend war auch, dass das bekannte und unter Singles stark verhasste „wir“, anders als angenommen, keinen besonders positiven Effekt auf Zufriedenheit oder Intimität der Beziehung hatte.

Die Forscher interpretierten die Ergebnisse folgendermaßen: Autonomie sei wichtig und gut für eine Beziehung, das beweise die positive Wirkung von „ich“-Formulierungen. Diese zeige nämlich, dass der Partner über sich und seine Gefühle Bescheid wisse und diese auch mitteile. Die häufige Verwendung von „mir“ oder „mich“ dagegen, deute auf eine Opferhaltung hin und beinhalte wenig Bemühung für die Beziehung. Dasselbe gelte für „du“-Formulierungen.

Probieren Sie die neuen Erkenntnisse doch gleich mal aus, und überraschen Sie Ihren Partner heute Abend mit einem freundlichen: „Ich glaube, ich sollte dir häufiger sagen, dass ich dich liebe!“ (Und vermeiden Sie lauwarme Formulierungen, wie „wir sind müde“ oder „wir haben keine Zeit“).

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Slatcher, R. B., Vazire, S., Pennebaker, J. W.(2008): Am „i“ more important than „we“? Couples‘ word use in instant messages. Personal Relationships, 15/4: pp. 407-424

 

Glückliche Menschen sind erfolgreicher – und weniger burnoutgefährdet

Der als Lambarene-Arzt bekannt gewordene Theologe und Philosoph Albert Schweitzer komprimierte diese Erkenntnis in dem Satz:
„Erfolg ist nicht der Schlüssel zum Glück. Wenn Sie Ihre Tätigkeit lieben, werden Sie erfolgreich“.

Heute will die Welt für solche Aussagen empirische Absicherungen. Dafür engagierte sich ein Team von
renommierten Glücksforschern und verfasste eine bahnbrechende Studie, in der die Psychologen mittels empirischer Untersuchungen nachweisen konnten: Ja, positive Affekte werden belohnt durch Erfolg. Unter „positiven Affekten“ versteht man Freude bis hin zur Begeisterung sowie Zufriedenheit bis hin zum Glücksgefühl. „Belohnt durch Erfolg“ meint nicht nur den finanziellen Aspekt, sondern ein generell gelungenes Leben, also eine gute Partnerschaft, Erfüllung im Beruf, Erfolg in puncto Freundschaften und  Gesundheit, eine hohe qualitätsgeprägte Lebenserwartung, und das alles verbunden mit dem Gefühl, näher am eigenen Sinn des Lebens zu sein.

Diese Studie von Sonja Lyubomirsky, Laura King und Ed Diener stammt aus dem Jahr 2005. Jetzt, sieben Jahre später konnte eine andere Forschergruppe erneut empirisch nachweisen, dass diese Reihenfolge zu beachten ist: Diejenigen waren am Ende die erfolgreicheren, die zu Beginn eines Vorhabens bereits zufrieden bis glücklich waren und an sich geglaubt hatten. Dabei wurde das Gefühl von Zufriedenheit bzw. Glück in alle drei Zeit-Richtungen abgefragt: in der vergangenen Woche glücklich gewesen, optimistisch in die Zukunft schauen, und die Befindlichkeit im Augenblick. Zur Negativ-Abgrenzung wurde überdies gefragt nach depressiven Verstimmungen, Appetitlosigkeit oder Gefühlen von Verzweiflung.

Die Studienleiterin, die in Kalifornien arbeitende deutsche Psychologin Claudia Haase, fasste die erfreulichen Zusammenhänge zwischen Glück und Erfolg so zusammen „Menschen mit ausgeprägtem positiven Affekt investieren mehr Zeit und Mühen, um ihre Ziele zu erreichen und lassen sich von Rückschlägen nicht aufhalten, weil sie davon überzeugt sind, dass sie diese Ziele aus eigener Kraft erreichen können“.

Demzufolge wären Unternehmer gut beraten, wenn sie ihren Mitarbeitern ein Glückstraining ermöglichen (oder selbst eines besuchen): Eine humane Win-win-Investition, die allen nur Vorteile liefert.

Quellen: 
Haase Claudia, Poulin Michael, Heckhausen Jutta: Happiness as a Motivator: Positive Affect Predicts Primary Control Striving for Career an Educational Goals. 
Personality and Sozial Psychology Bulletin 2012.

Lyubomirsky Sonja, King Laura, Diener Ed: The Benefits of Frequent Positive Affect: Does Happiness Lead to Success? 
Psychological Bulletin Vo. 131, Nr.6, 803-855, 2005.

Gute Vorsätze für 2011

Alle Jahre wieder erfasst TNS Emnid die Neujahrsvorsätze der Deutschen. Auf dem 2. Platz, gleich hinter dem Top-Vorsatz „Stress abbauen“ landete dieses Jahr „Mehr Zeit mit Familie und Freunden verbringen“. 55% der Bundesbürger zwischen 18 und 65 Jahren nehmen sich das vor – ob sie es nun laut aussprechen oder es sich leise wünschen.

Die meisten geben dabei an, dass sie vor allem wieder mehr Zeit mit ihrem Partner verbringen wollen. Hier einige Tipps, wie Sie im neuen Jahr die Zeit zu zweit Gewinn bringend gestalten:

  • Verabschieden Sie sich von zeitfressenden Alltagsaktivitäten, die Ihnen und Ihrem Partner eigentlich nichts bringen. Was Sie im Beruf schaffen (müssen), das bekommen Sie sicher auch im Privatleben hin: Setzen Sie sich einmal gemeinsam mit Ihrem Partner hin und überlegen Sie sich, wo Sie Zeit sparen können, um Sie anschließend gemeinsam wieder auszugeben. Machen Sie eine richtige Liste. Alle Vorschläge sind erlaubt. Anschließend werden die Dinge gestrichen, die beide für überflüssig halten.
  • Neigen Sie zum Perfektionismus? Wollen auch Sie immer die Dinge möglichst langfristig und gut vorbereiten, damit alles stimmt, bevor Sie sich richtig zu zweit entspannen können? Die Wahrheit ist: Es wird niemals alles perfekt passen. Gerade in der Partnerschaft gilt: Gelegenheit macht Liebe. Nutzen Sie es also aus, wenn Sie einmal unvorhergesehen Zeit übrig haben und holen Sie Ihren Partner nach Möglichkeit ins Boot.
  • Gemeinsam planen: Reden Sie gemeinsam über kleine und große Ziele im neuen Jahr. Vereinbaren Sie dazu einen konkreten Termin, ganz so als würden Sie ein Meeting festsetzen. Thematisieren Sie solche Ziele, bei denen Sie schon weitgehend übereinstimmen und legen Sie gemeinsam Strategien zur Zielereichung fest. Ziele schaffen Verbundenheit und Zeit für wichtige Dinge – auch und gerade im 2er-Team Partnerschaft.

Wir wünschen Ihnen ein glückliches und erfolgreiches Jahr 2011!

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer
http://www.tns-emnid.com/, 29.12.2010