Die Macht von Stereotypen

…und wie wir sie überwinden können:

Stereotype werden allgemein als Vorurteile (oder: Einordnung in Kategorien) gegenüber bestimmten Personen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten (gesellschaftlichen) Gruppen definiert. Die Macht von Stereotypen ist so groß, dass sie sich nicht nur auf die Personen auswirkt, die sie anwenden. Auch diejenigen, die stereotypisiert worden sind, lassen sich unbewusst in Richtung des Stereotyps beeinflussen, wenn sie die Einordnung mitbekommen.

Recht anschaulich wird das in Experimenten verdeutlicht, bei denen Frauen Mathematikaufgaben unter 2 Bedingungen lösen sollen. In der ersten Bedingung sollen sie ihren Wohnort angeben, in der zweiten Bedingung ihr Geschlecht. Das Stereotyp dahinter lautet, dass ‚Frauen schlechter in Mathe‘ sind. In der Tat zeigen Frauen, die ihr Geschlecht im Antwortbogen vermerken, eine schlechtere Leistung als diejenigen, die nur ein paar demographische Angaben machen!

Im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeihung wird also (meist unbewusst) zunächst das Stereotyp aktiviert und anschließend sinkt die Leistung.

Dieses und ähnliche Ergebnisse haben zur berechtigten Diskussion geführt, ob beispielsweise Geschlechterunterschiede bei der Performance verschiedener Aufgaben zum Teil auf Stereotypisierung zurückzuführen sind.

Wir sind alle täglich vielen Stereotypen ausgesetzt. Steigen wir morgens aus dem Bett, sind wir Mann oder Frau, sind wir in Deutschland, der Türkei, Russland oder den USA geboren, wohnen wir in einer Wohnung oder unserem Haus, arbeiten wir als Banker, Buchhalter oder Bäcker, sind wir klein oder groß usw.

Und bei allem, was wir täglich tun ist anzunehmen, dass wir möglicher Weise nicht nur einem Stereotyp unterliegen. Frauen können schlechter rechnen? Aha, was ist mit weiblichen Finanzbuchhalterinnen? Sind diese gut in Mathe aber konservativ und stur in ihren Einstellungen? Was, unsere mathematisch begabte Buchhalterin ist Mitglied bei 3 Wohltätigkeitsorganisationen? Naja, typisch, Helfersyndrom…!

Was kann man also tun, um – zumindest zum Wohl seiner eigenen Performance – diese Stereotype zu ignorieren, beziehungsweise zu nutzen? Robert Rydell und seine Kollegen vom Department of Psychological and Brain Sciences der Indiana University geben in einer Serie von Experimenten die Antwort:

Sie setzten College-Studentinnen Stereotypen aus und ließen sie dabei mathematische Tests bearbeiten. Eine Gruppe wurde informiert, dass Frauen generell schlechter bei Mathetests abschneiden. Einer weiteren Gruppe wurde vorab mitgeteil, dass College-Studenten generell besser seien als Leute, die nicht das College besuchten. Zwei weitere Gruppen erhielten entweder gar keine Informationen über Stereotype oder beide relevanten Informationen.

Das Ergebnis: Die Studentinnen zeigten nur dann eine schlechtere Leistung, wenn sie ausschließlich mit der Information konfrontiert worden waren, dass Frauen schlechter bei Mathetests abschneiden. Offensichtlich schützte die Aktivierung eines positiven Stereotyps die Frauen vor der Aktivierung des negativen Stereotyps.

Um diese Annahme zu testen, prüften Rydell und seine Kollegen mit welchem Stereotyp sich die Studentinnen in den jeweiligen Bedingungen identifiziert hatten. In der Tat identifizierten sie sich nur in Abwesenheit positiver Stereotype mit dem negativen Vorurteil gegenüber Frauen und Mathe.

Offensichtlich können wir zwischen verschiedenen Stereotypen wählen. Dabei sollten wir darauf achten, dass wir das für unsere Performance beste Stereotyp herausgreifen. Eine Bedingung ist allerdings, dass uns die richtigen Stereotype bewusst sind.

„Die Aktivierung von Stereotypen erfolgt relativ automatisch und ist schwer zu kontrollieren“ sagt Rydell. „Ob man jedoch an das Stereotyp glaubt oder nicht, das ist unter willentlicher Kontrolle. Eine Option ist demnach, in einer Lesitungssituation an all die positiven Gruppen zu denken, denen man angehört und die mit der Aufgabe etwas zu tun haben.“

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: http://www.eurekalert.org/bysubject/social.php

Unsere unterbewusste Alarmanlage

Schon bevor ein Pianist einen Fehler macht, bemerkt sein Gehirn, dass etwas schief läuft und versucht den Fehler zu korrigieren. Übersinnlich? Nein, eher „unterbewusst“.

Forscher des Max Planck Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften wollten herausfinden, zu welchem Zeitpunkt bei der Handlungsplanung vom Gehirn Fehler entdeckt werden. Mit einem erstaunlichen Ergebnis: Die Fehler werden bereits vor der Ausführung entdeckt.

Sie schlossen für ihre Untersuchung Klavierspieler an ein EEG-Geraät an. Mit Hilfe von EEG können auf der Kopfoberfläche Spannungsschwankungen erfasst werden, die neuronale Aktivität in bestimmten Hirnregionen widerspiegeln. Durch die gute zeitliche Auflösung des Verfahrens kann man dem Gehirn praktisch wie bei einem Livestream „online“ beim Arbeiten zusehen.

Während die Klavierspieler Tonleitern übten, zeichneten die Wissenschaftler ihre Gehirnaktivität auf. Bis zu 100 Millisekunden, bevor die Pianisten einen Fehler machten, änderten sich dabei die Muster in bestimmten Hirnregionen, vermutlich solchen, die für motorische Handlungsplanung oder Gedächtnis zuständig sind.

Die Untersuchung verdeutlicht ein Prinzip, das sich über viele Situationen und Handlungen erstreckt: Die meisten unserer Aktionen und Reaktionen laufen zunächst unbewusst ab, erst danach werden sie bewusst überdacht und können eventuell auch bewusst verhindert werden. Die Forscher sprechen dabei von „Verhaltensinhibition“. Ein weiteres Beispiel ist eine Schlange am Wegrand. Wir zucken zurück, bevor wir die Schlange bewusst wahrnehmen! Ist es auf den zweiten Blick eine Gummischlange (diese Einordnung setzt komplizierte Kategorisierungsprozesse unseres Gehirns voraus), können wir uns wieder nähern. Unser ängstliches Verhalten wird damit bewusst ‚inhibiert‘.

Auch in sozialer Interaktion und Kommunikation sind wir uns unserer Fehler oft nicht bewusst, spüren aber ‚intuitiv‘, dass etwas nicht passt. Diese Intuition kann nachträglich bewusst überprüft werden – sofern man die Gesetze interpersoneller Kommunikation kennt.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Maidhof C, Rieger M, Prinz W, Koelsch S (2009) Nobody Is Perfect: ERP Effects Prior to Performance Errors in Musicians Indicate Fast Monitoring Processes. PLoS ONE 4(4): e5032. doi:10.1371/journal.pone.0005032