Die Lücke zwischen Intention und Handlung schließen: So klappt’s mit den guten Vorsätzen

Neujahrstag – der Beginn eines neuen Jahres und für viele auch ein Tag mit besonderer Bedeutung. Denn viele beginnen das Jahr mit guten Vorsätzen. Doch egal ob man sich vornimmt, mehr Sport zu treiben, mit dem Rauchen aufzuhören, regelmäßiger und mehr zu schlafen, mehr mit der Familie zu unternehmen und weniger zu arbeiten – die meisten dieser guten Vorsätze finden ihr jähes Ende spätestens dann, wenn nach den Feiertagen der Alltag wieder beginnt.

Eine englische Studie mit 3.000 Teilnehmern ergab, dass 88 Prozent der Menschen ihre guten Vorsätze nicht einhalten. Dabei sind viele dieser Vorsätze durchaus sinnvoll. Was aber passiert auf dem langen Weg von der Intention zur Handlung, das so viele Menschen daran scheitern lässt, ihre Vorsätze auch in die Tat umzusetzen? Dr. Ralf Schwarzer, Psychologe und Professor für Gesundheitspsychologie an der Freien Universität Berlin, hat ein Modell entwickelt, anhand dessen dieser lange Weg und die vielen Hindernisse, die dem Handeln entgegenstehen, aufgezeigt werden können. Das Modell schildert nicht nur Hindernisse, sondern zeigt auch Möglichkeiten auf, diese zu überwinden.

 

Intentionsbildung – Klarheit schaffen

Das von Dr. Schwarzer entwickelte HAPA-Modell (Health Action Process Approach) teilt den langen Weg zwischen Intentionsbildung und tatsächlicher Handlung in drei Phasen. In der ersten Phase, der Intentionsbildung, ist vor allem Klarheit wichtig. So reicht es nicht, sich einen diffusen Vosatz vor Augen zu halten, wie z.B.: „Ich will mehr Sport machen.“ Vielmehr fordert das Modell gleich hier zu differenzieren: „Was bedeutet „mehr“?“  „Welche Art von Sport?“ „Warum halte ich das überhaupt für nötig?“ Diese Fragen können dabei helfen, Klarheit zu schaffen. Genaue Handlungs-Ergebnis-Erwartungen zu formulieren, wie: „Ich will bewirken, dass ich mich nach dem Treppen steigen nicht mehr völlig kaputt fühle,“ sind ebenso wichtig, wie eine konkrete Risikowahrnehmung. Hierfür hilft ein Gespräch mit dem Hausarzt, der die Gefahren von zu seltener Bewegung für Herz und Kreislauf eindrücklich schildern wird.

 

Planen und Selbstwirksamkeit schaffen

Mit der Intentionsbildung ist ein wichtiger Schritt getan. Doch der Weg bis zur Handlung ist noch weit. Die nächste Phase im HAPA-Modell ist die Planungsphase. Hierin sollte nicht nur die Ausführung genau geplant sein, sondern auch gleich überlegt werden, welche Hindernisse der Ausführung im Wege stehen könnten und wie diese überwunden werden können. Bei der Ausführungsplanung ist es wichtig, sich verbindliche und konkrete Ziele zu setzen, und dennoch einen realistischen Spielraum zu lassen. Beim Beispiel Sport könnte ein solcher Plan z.B. folgendermaßen lauten: „Ich werde ein Mal am Wochenende und ein Mal am Dienstag oder Mittwoch in der Mittagspause joggen (jeweils mindestens 30 Minuten) und mindestens ein Mal pro Woche Radfahren nach der Arbeit.“

Bei der Bewältigungsplanung sollen konkrete Gegenstrategien für eventuelle Hindernisse entwickelt werden: Was tun bei schlechtem Wetter, bei Muskelkater? Was könnte meinen Vorsätzen noch im Weg stehen? Das genaue Durchdenken dieser Hindernisse und ihre – vorläufig zunächst gedankliche Überwindung – helfen, die Selbstwirksamkeit zu stärken, d.h. das Gefühl zu entwickeln, es wirklich schaffen zu können: „Das Wetter könnte zwar besser sein und die optimale Funktionskleidung ist noch nicht zusammengestellt, aber ich starte jetzt und bestärke mich dadurch in der Überzeugung, dass ich es schaffen werde.“

 

Handeln – und immer wieder neu anfangen

Die letzte Phase des HAPA-Modells beschreibt die tatsächliche Handlung. Allerdings bedeutet das einmalige Beginnen nicht, dass man es automatisch schafft, auch dabei zu bleiben. Dr. Schwarzer beschreibt daher diese Phase mit einem stetigen Kreislauf aus Initiative, Aufrechterhaltung und Wiederaufnahme. Die eigene Erfolgskontrolle (z.B. durch Trainingstagebücher oder sportpraktische Testverfahren zur Leistungskontrolle) ist hier sehr hilfreich, um weiterhin motiviert zu bleiben. Doch bei aller Motivation kann es passieren, dass es einmal nicht klappt, den guten Vorsatz in die Tat umzusetzen. Gerade dann ist es wichtig, nicht aufzugeben. Denn Handeln bedeutet oft auch: immer wieder Anfangen und sich durch Rückschläge nicht entmutigen zu lassen.

 

Der Weg von der Intention zur tatsächlichen Handlung ist oft weit, und Hindernisse tauchen plötzlich auf wie extra gerufen. Doch wer genau weiß, was er/sie will, wer genau plant und Strategien entwickelt und vor allem wer sich nicht davor scheut, immer und immer wieder aufs Neue anzufangen, der schafft es dann, seine Vorsätze auch in die Tat umzusetzen.

 

 

Quellen:
Muster, M. & Zielinski, R. (2006). Bewegung und Gesundheit: gesicherte Effekte von körperlicher Aktivität und Ausdauertraining. Berlin: Springer.

Schwarzer, R. (1992). Self-efficacy in the adoption and maintenance of health behaviors: Theoretical approaches and a new model. In R. Schwarzer (Hrsg.). Self-efficacy: Thought control of action (S. 217-243). Bristol, PA: Taylor & Francis.

Schwarzer, R., Luszczynska, A., Ziegelmann, J. P., Scholz, U. & Lippke, S. (2008). Social-cognitive predictors of physical exercise adherence: three longitudinal studies in rehabilitation (Vol. 27, No. 1S, p. S54). American Psychological Association.

Schlafforschung: Wie wichtig guter Schlaf ist, wird gerne unterschätzt

Wer morgens erholt in den Tag starten möchte, muss zuvor gut geschlafen haben. Langfristig gesehen ist Schlaf sogar entscheidend für unsere psychische und physische Gesundheit.

„Die schlaflose Gesellschaft“ – so hieß der spektakuläre Titel, mit dem die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin zu ihrer 23. Jahrestagung Anfang Dezember in Mainz einlud. Schlafforscher aus aller Welt präsentierten ihre neuesten Ergebnisse und diskutierten über die Fragen, wie unsere „Non-Stop-Gesellschaft“ den Menschen nicht nur Schlaf, sondern auch deren Gesundheit regelrecht „raubt“ – und wie Schlaf und Schlafstörungen die ganze Gesellschaft beeinflussen.

 

Wie viel ist „ausreichend“?

Wie wichtig es ist, auf eine ausreichende Menge Schlaf zu achten, das ist vielen Menschen gar nicht bewusst: Sie lassen ihren Rhythmus eher von außen bestimmen, als auf die eigenen Bedürfnisse und die ihres Körpers zu hören. Wie viel aber nun „ausreichend“ ist, das lässt sich nur individuell bestimmen, erklärt der Schlafmediziner Peter Young von der Klinik für Schlafmedizin und Neuromuskuläre Erkrankungen in Münster. Es gebe eine große Anzahl an Einflussfaktoren, angefangen von der genetischen Disposition bis hin zu sozialen Umständen, die beeinflussen, wie hoch der eigene Schlafbedarf ist. Wichtig sei vor allem, Schlaf eine hohe Priorität im Leben einzuräumen, betont er. Nur so kann die individuelle Menge bestimmt und eingehalten werden.

 

Warum ist gerade die Nacht zum Montag so schwierig?

Die meisten Menschen schlafen in der Nacht zum Montag besonders schlecht. Nachdem sie sich am Wochenende erholt haben, fühlen sie sich Montag früh dennoch wie gerädert, da sie in der Nacht kaum ein Auge zu tun konnten. Warum das so ist, erklärt der Psychologe Dr. Hans-Günther Weeß, Leiter der schlafmedizinischen Abteilung am Pfalzklinikum in Klingenmünster:

Zum Einen habe sich bei den meisten zu wenig „Schlafdruck“ aufgebaut. Das bedeutet schlicht, dass sie nicht lange genug wach waren, um einschlafen zu können, denn oft schläft man in der Nacht von Samstag auf Sonntag länger und versucht dann am Sonntag Abend, zur gewohnten Zeit ins Bett zu gehen. Zum Anderen sind es die Gedanken an die kommende Woche, die viele nicht einschlafen lassen: innere Unruhe, Anspannung, kreisende Gedanken – das seien die größten Feinde des Schlafes, sagt er Schlafexperte.

 

Warum Sie schlechter schläft als Er

Die Forscher haben noch Weiteres entdeckt: Während die meisten Männer und Frauen den Schlaf im gemeinsam Bett als angenehmer bezeichnen als allein, ist dieser Schlaf, objektiv gemessen, oft alles andere als gut. Studien ergaben, dass vor allem Frauen im gemeinsamen Bett schlechter schlafen. Als mögliche Gründe geben einige Forscher an, dass der Schlaf der Frauen evolutionsbiologisch so angelegt sei, damit sie auch nachts das Wohl der Familie überwachen könnten. Hinzu kommt ein weiterer Grund: Männer schnarchen häufig und rauben so ihren Frauen den Schlaf.

 

Fun Facts – und echte Fakten

Auch der Bettenhersteller „Sealy UK“ gab eine Studie zum Thema Schlaf in Auftrag. Hierbei will man herausgefunden haben, dass es auch auf die Seite des Bettes ankomme: Wer links aus dem Bett aufsteht, der sei glücklicher, besser gelaunt, habe mehr Freunde und Spaß an der Arbeit. Ob „Sealy UK“ nun nur noch Betten mit linker Seite herstellt, dazu hat sich das Unternehmen noch nicht geäußert…

Wie wichtig aber guter Schlaf ist, zeigen Studien, die den Zusammenhang zwischen Schlaf und psychischer sowie physischer Gesundheit untersuchen. Schlafstörungen wie Ein- und Durchschlafstörungen sowie frühmorgendliches Erwachen sind beispielsweise oft deutliche Symptome einer Depression. Schlafmangel wird außerdem mit einem erhöhten Risiko an Diabetes Typ II zu erkranken oder ein akutes Koronarsyndrom zu entwickeln und in der Folge einen Herzinfarkt zu erleiden, in Zusammenhang gebracht.

 

Wer also an Schlafstörungen leidet, tut gut daran, sie nicht zu bagatellisieren, sondern sich mit einem Experten zu beraten.

 

 

 

Quellen:
Linden, M., Oberle-Thiemann, C., & Weidner, C. (2003). Krankschreiben kann schaden. MMW-Fortschr Med, 18, 33-36.

Dziewas, R., Ritter, M., Usta, N., Boentert, M., Hor, H., Dittrich, R., … & Young, P. (2007). Atherosclerosis and obstructive sleep apnea in patients with ischemic stroke. Cerebrovascular Diseases, 24 (1), 122-126.

 

Zum Ende der Sendung „Domian“: Der Erfolg des Hörertalk

Dr. Lermer im Gespräch mit  detektor.fm-Moderator Alexander Hertel über die Frage, was Menschen dazu veranlasst, persönliche Geschichten mit einem Moderator und der Öffentlichkeit teilen zu wollen.

Hier geht’s zum: Interview

Bevor die Seele ausbrennt: Meditation gegen Stress?

Wer ständig unter Stress steht, muss Methoden finden, um zu entspannen. Sonst wird die seelische Belastung zu stark. Wie aber entflieht man dem Alltag am effektivsten?

„Es ist der Geist, der sich den Körper baut,“ ließ schon Friedrich Schiller seinen Wallenstein erkennen. Die Meditation – noch vor einiger Zeit von der Schulmedizin als esoterischer Humbug belächelt – wurde von Neurowissenschaftlern als Mittel gegen Stress entdeckt. Verschiedene Meditationsmethoden konnten bei ProbandInnen nicht nur das empfundene Stresslevel reduzieren, sondern auch erstaunliche Veränderungen im Gehirn auslösen. Mehrere unabhängige Studien konnten nachweisen, wie richtig Schiller schon vor 200 Jahren lag: Der Geist kann den Körper verändern.

 

Messbare Veränderungen

Die Meditation, ursprünglich in vielen Religionen und Kulturen ausgeübte spirituelle Achtsamkeits- oder Konzentrationsübungen, durch die sich der Geist beruhigen und sammeln soll, lag noch vor Kurzem unter dem Ruch des Esoterischen. Vadimir Bostanov und Philipp Keune, Neuropsychologen am Institut Institute für medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie der Universität Tübingen, konnten inzwischen nachweisen, dass sich durch regelmäßiges Meditieren neurophysiologisch messbare Veränderungen im Gehirn abspielen. In ihrer Studie spielten ProbandInnen, die einen achtwöchigen Meditationskurs absolviert hatten, akustische Signale vor, maßen deren elektrische Hirnzellenaktivität und verglichen diese mit Werten einer Kontrollgruppe. Ihr Ergebnis war deutlich: Im Vergleich zur Kontrollgruppe reagierten die Gehirne der in Meditation Geübten deutlich stärker auf akustische Reize.

 

Ohne Ängste, ohne Grübeleien

Diese veränderte Gehirnaktivität korrespondiert sehr gut mit den Erfahrungen der Meditationskurs-Teilnehmer: Sie berichten, dass sie gelernt hatten, nicht mehr ständig zu grübeln, dafür endlich wieder klar denken zu können. Dadurch hatte ihr Gehirn Ressourcen frei, die sie den akustischen Signalen entgegensetzen konnten. In Meditation geübte Menschen können also die Dinge so sein lassen wie sie sind. Weniger ängstlich oder aufgewühlt lassen sie sich bei Weitem nicht mehr so stark durch ihren Alltag unter Druck setzen.

 

Meditation als Gesundheitsfaktor

Nicht nur psychische Probleme können durch Meditation gelindert werden. Ein Forscherteam um den Mediziner Robert Schneider von der Maharishi University of Management in Iowa untersuchte 201 Männer und Frauen, die gefährliche Engstellen an Herzkranzgefäßen aufwiesen. Sie teilten ihre ProbandInnen in zwei Gruppen auf und ließen eine Gruppe Transzendentale Meditation erlernen. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen eindrücklich, dass Mediation auch ein Gesundheitsfaktor sein kann. Denn die Gruppe, die meditierte konnte offensichtlich ihren Stress derart reduzieren und ihr Herz stärken, dass sie im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich weniger Infarkte und Schlaganfälle erlitt.

 

Wirksame Entspannung

Welche Art der Meditation am wirksamsten ist, wurde noch nicht erforscht. Die Schulen der Meditation sind weitläufig und bieten viele Möglichkeiten. Der Gießener Psychologe und Autor des Buches „Meditation für Skeptiker“, Ulrich Ott, rät, jede/r solle die Technik wählen, die ihm/ihr am besten gefalle.

Wichtig ist vor allem, eine Methode zu finden, aus dem Alltag zu flüchten und Stress zu reduzieren. Meditation ist eine dieser Methoden – noch dazu eine der gesündesten.

 

Quellen:
Bostanov, V., Keune, P. M., Kotchoubey, B., & Hautzinger, M. (2012). Event-related brain potentials reflect increased concentration ability after mindfulness-based cognitive therapy for depression: a randomized clinical trial. Psychiatry research, 199 (3), 174-180.

Ott, U. (2011). Meditation für Skeptiker: ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst. OW Barth eBook.

Schneider, R. H., Grim, C. E., Rainforth, M. V., Kotchen, T., Nidich, S. I., Gaylord-King, C., … & Alexander, C. N. (2012). Stress reduction in the secondary prevention of cardiovascular disease randomized, controlled trial of transcendental meditation and health education in Blacks. Circulation: Cardiovascular Quality and Outcomes, 5 (6), 750-758.

Reicht ein Lottogewinn zum Glücklichsein?

Dr. Lermer im Gespräch mit der Badischen Zeitung über den Zusammenhang mit Geld und Glück:

Die Achterbahnfahrt eines Lotto-Millionärs aus dem Breisgau

Weitere Tipps von Dr. Lermer im Berliner Kurier:

So tickt Berlins neuer Lotto-König

Depression von A bis Z

Dr. Lermer im Gespräch mit „Hallo München“ zum Thema Depression:
Wie Betroffene mit ihrer Erkrankung umgehen können und ihnen ihr Umfeld helfen kann.

Depression: So beugen Sie vor

Bevor die Seele ausbrennt: Was hilft gegen Stress?

Ständiger Termindruck, Hektik, Dauerbelastung, kaum Zeit für sich selbst… So sieht der Alltag vieler Menschen aus. Laut einer bisher unveröffentlichten Forsa-Umfrage schätzen fast die Hälfte aller Befragten ihre tägliche Belastung als stark bis sehr stark ein (!).  Bevor jedoch der Stress überhand nimmt und es zu einem sog. Burnout kommt, ist es wichtig, die Ursachen der Belastung zu kennen und zusätzlich für Entspannung zu sorgen.

 

Für viele Menschen bedeutet Alltag das Einhalten von Terminen, körperliche oder psychische Belastungen sowohl an ihrem Arbeitsplatz als auch in ihrer Familie und fast ständige Anspannung. Die Folgen sind Physische und psychische Einschränkungen, die auf Dauer zu ernsthaften Erkrankungen führen können. Wie aber kann man diesem Dauerstress entgegenwirken? Wissenschaftler untersuchten nicht nur unterschiedliche Entspannungsmethoden, sondern fanden auch heraus, dass Stress bei Männern und Frauen unterschiedliche Folgen hat.

 

Stresssymptome

Physische Symptome, die von Dauerbelastung ausgelöst werden, sind weit verbreitet. Schlafstörungen, Rücken- oder Kopfschmerzen zählen hierzu. So gibt laut einer Umfrage der DAK jede/r zweite Kopfschmerzgeplagte an, Stress als Auslöser für sein/ihr Leiden auszumachen. Besonders betroffen scheint die Gruppe der 30- bis 59-Jährigen zu sein: hier nennen über 50% Anspannung als Hauptursache ihrer Kopfschmerzen. Doch auch psychische Probleme werden durch Stress verursacht. Depressionen und Burnout führen zu immer höheren Fehlzeiten am Arbeitsplatz. Psychische Erkrankungen sind seit 2014 sogar die Hauptursache für Krankschreibungen, wie ebenfalls aus einer DAK-Umfrage hervorgeht.

Frauen leiden deutlich häufiger unter Stress als Männer. Dies kann oft auf ihre Doppelbelastung zurückgeführt werden: Viele Frauen sind beruflich eingebunden und müssen sich zusätzlich um die Familie und den Haushalt kümmern, wobei sie durch ihre Männer nicht die nötige Entlastung erfahren.

Doch konnten Forscher auch andere geschlechtsspezifische Unterschiede ausmachen.

 

Stress macht Männer egozentrisch und Frauen empathisch

Das ist die Kurzfassung der Ergebnisse einer Studie von Neurologen der Universität Wien, die der Frage nachging, wie sich Stress auf die Fähigkeit auswirkt, sich in andere hineinzuversetzen. Unter Stress verhielten sich die männlichen Probanden dieser Studie egozentrischer und weniger empathisch, die weiblichen Versuchspersonen jedoch konnten besser zwischen selbst- und fremdbezogenen Emotionen und Kognitionen unterscheiden – eine Fähigkeit, die als Grundlage für Empathie gilt. Für diese Unterschiede werden biologische Ursachen vermutet: So schütten Frauen unter Stress mehr Oxytocin aus, ein Hormon, das einen starken Einfluss auf die soziale Interaktion hat. Denkbar sind auch erziehungsbedingte und kulturelle Einflüsse, die dafür sorgen, dass sich Frauen in Stresssituationen empathischer verhalten.

Wenn aber kulturelle Einflüsse wirken, könnten sie nicht grundsätzlich Ursache von Stress sein?

 

Stress – ein Statussymbol?

Von dieser These gehen einige Sozialkritiker aus, die behaupten, dass die Aussage, man stünde unter Stress, ein Bekenntnis zum Leistungsprinzip und zum Wettbewerb sei. Somit bliebe den Menschen gar nichts anderes übrig, als zu behaupten, sie stünden unter Stress – und würden diesen dann auch empfinden. Das klingt zunächst weit hergeholt. Dennoch lohnt es sich, kurz darüber nachzudenken, wie man wohl darauf reagieren würde, wenn jemand sagte, er stünde an seinem Arbeitsplatz gar nicht unter Stress – er habe eine völlig stressfreie Arbeitsstelle. Würde man diesem Menschen nicht in gewissem Maß seine Tüchtigkeit absprechen?

 

Wirksame Entspannungsmethoden

Ob nun gesellschaftlich verursacht, biologisch verstärkt oder individuell unterschiedlich empfunden – wer unter Stress steht, muss Methoden finden, um zu entspannen. Sonst wird die seelische Belastung auf Dauer zu stark. Auch bei den Methoden zur Entspannung unterscheiden sich die Geschlechter: Sport treiben oder im Internet surfen scheint eine eher „männliche“ Entspannungsmethode zu sein, während Frauen dem Alltag gern mit einem Buch entfliehen.

Neurowissenschaftlicher entdeckten das Meditieren als Mittel gegen Stress und konnten bei ihren ProbandInnen nicht nur das empfundene Stresslevel reduzieren, sondern auch erstaunliche Veränderungen im Gehirn nachweisen. Der nächste Blog-Eintrag wird sich daher mit dieser Methode genauer befassen.

 

 

Quellen:
Fokus 37/2015. Frauen leiden mehr unter Stress. (S. 15).

Fokus online 11.10.2013. Kopfschmerz-Geplagte sehen Stress als häufigsten Auslöser.

Kissler, A. (2013). Die Stress-Lüge. Cicero online. 12.11.2013

Münchner Merkur, 11.09.2015. Kranke Psyche führt zu Fehltagen. S. 29.

Spiegel online 11.08.2014. Fehlzeiten wegen psychischer Belastung steigen stark.

Tomova, L., von Dawans, B., Heinrichs, M., Silani, G., & Lamm, C. (2014). Is stress affecting our ability to tune into others? Evidence for gender differences in the effects of stress on self-other distinction. Psychoneuroendocrinology, 43, 95-104.