Under Pressure – Wie uns unser Gedächtnis bei Stress überlistet

Unter Stress verhalten wir uns oft vollkommen irrational. Was in der Regel mittelfristig unseren Stress noch vergrößert. Einen anschaulichen Beweis dafür liefern die Psychologen Jane Raymond und Jennifer O’Brien von der englischen Bangor Universität. Sie erforschen die Auswirkungen von kognitivem Stress auf menschliches Entscheidungsverhalten.

Kognitiven Stress empfinden wir zum Beispiel immer dann, wenn wir zu viele Baustellen gleichzeitig aufmachen. Wenn wir A erledigen sollen, dazwischen aber B getan werden muss und wir eigentlich für C zuständig sind, sinkt unsere Leistung und unsere Entscheidungsqualität.

Obwohl wir, wenn wir Entscheidungen treffen, vielen ‚allzu menschlichen‘ irrationalen Tendenzen ausgesetzt sind (siehe unsere Donnerstags-Serie „Besser entscheiden mit Psychologie“), versuchen wir doch in den meisten Situationen rational zu bleiben und uns nach Überdenken sämtlicher Vor- und Nachteile für die beste Alternative zu entscheiden.

Allerdings: Schon einfachster kognitiver Stress, z.B. wenn wir kurzfristig durch andere Aufgaben abgelenkt werden, beeinflusst unsere Entscheidungsfähigkeit. Und das erstaunlicher Weise über unser Erinnerungsvermögen.

Raymond und O’Brien zeigten Ihren Versuchspersonen auf dem PC Paare von Gesichtern. Jedes der Gesichter stand für einen bestimmten Geldbetrag, den die Teilnehmer erspielen konnten, falls sie sich für das Gesicht entschieden, das ‚mehr wert‘ war. Nachdem die Probanden eine Zeitlang durch den Vergleich der Gesichter und die richtigen Entscheidungen Geld erspielt hatten, startete der zweite Teil des Experimentes.

Hier zeigten Raymond und O’Brien die Gesichter nun einzeln, zusammen mit sehr vielen ähnlichen anderen Gesichtern. Bei jedem Gesicht sollten die Teilnehmer versuchen sich zu erinnern, ob sie es im ersten Teil des Experiments bereits gesehen hatten. Dies gelang ihnen relativ gut, wenn sie sich voll darauf konzentrieren konnten.

Wurden sie allerdings abgelenkt, zeigte sich ein interessanter Effekt: Sie erinnerten sich dann fast ausschließlich nur noch an die ‚guten‘ Gesichter, die ihnen im ersten Teil des Experiments Geld eingebracht hatten. Die ‚minderwertigen‘ Gesichter, die mit niedrigen Geldbeträgen assoziiert gewesen waren (die also ‚Verluste‘ darstellten) wurden sehr viel schlechter erinnert.

Offensichtlich unterliegen wir, wenn wir in Entscheidungssituationen durch andere Aufgaben abgelenkt sind, einem interessanten Gedächtniseffekt: Wir berücksichtigen dann vorwiegend solche Informationen, mit denen wir in der Vergangenheit positive Erfahrungen gemacht haben. Und vernachlässigen emotional negativ besetzte Informationen.

Leider zu unrecht, denn die Forschung zeigt auch, dass wir für optimale Entscheidungen beide Arten von Infos brauchen – positive und negative. Dazu müssen wir jedoch erst einmal unser fehlbares Gedächtnis überlisten. Wie? Indem wir negativ besetzte Informationen irgendwo vermerken. Und zur rechten Zeit wieder ausgraben, damit wir letztlich im entscheidenden Moment aus ihnen lernen können.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: http://www.eurekalert.org/pub_releases/2009-09/afps-upt091509.php

Besser entscheiden mit Psychologie

Auf Grund der uralten Einsicht, dass nicht alles menschliche Verhalten rational ist und der Möglichkeit neuer Forschungsmethoden erlebte Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts die Verbindung von Psychologie und Wirtschaftswissenschaften eine Renaissance: Mit Hilfe der Tools der Verhaltensökonomie konnten Forscher nun weitaus besser als zuvor das (ir-)rationale Entscheidungsverhalten des Homo sapiens erklären und vorhersagen.

Bevor Sie sich nun wertvolle Tipps für bessere Entscheidungen abholen, sind Sie herzlich eingeladen, ein paar Zeilen zur Prospect Theory (siehe Beitrag vom 09.09.09) zu lesen. Obwohl die meisten Untersuchungen zur Prospect-Theorie aus dem wirtschaftlichen Kontext stammen, gilt die Theorie jedoch für alle Bereiche unseres Entscheidungs-Lebens. Zeit also, dass Sie ein paar dieser Fehler kennen lernen, um sie in Zukunft zu vermeiden. Ab jetzt können Sie gerne jeweils Donnerstags unsere kleine Serie ‚Besser entscheiden mit Psychologie‘ nutzen. Viel Spaß beim Experimentieren mit den Ergebnissen der Verhaltensökonomik!

Teil 2 – Die Verlustaversion

Stellen Sie sich vor, wir würden Ihnen jetzt 500€ geben und Ihnen noch eine zusätzliche Chance bieten: Sie müssen zwischen 2 Optionen wählen. Bei Option (a) erhalten Sie sicher noch einmal 250€ dazu. Bei Option (b) werfen Sie eine Münze. Fällt Zahl, bekommen Sie noch einmal 500€. Fällt Kopf, erhalten Sie zusätzlich nichts. Welche Option würden Sie wohl wählen?

Ein anderes Beispiel: Nun geben wir Ihnen 1000€. Wieder müssen Sie zwischen 2 Optionen wählen. Bei Option (c) verlieren Sie ganz sicher 250€. Bei Option (d) werfen Sie wieder die Münze. Fällt Kopf, verlieren Sie 500€, bei Zahl verlieren Sie nichts.

Wie haben Sie sich jeweils entschieden? Die Forschung zeigt, dass sich Menschen in der Regel für die Optionen (a) und (d) entscheiden.

Natürlich sind eigentlich alle Alternativen (a)-(d) völlig gleichwertig. Trotzdem wählen wir, wenn wir mit einem drohenden Verlust konfrontiert werden (Option (c)) lieber die risikoreiche Variante (d), weil wir irrationaler Weise hoffen, den Verlust noch abwenden zu können. Ein derartiges ‚Spiel‘, wie wir es Ihnen oben angeboten hätten, kann man noch leicht durchschauen: Wir könnten sehr rasch die Wahrscheinlichkeiten der Gewinne und Verluste mit den Werten der Outcomes verrechnen und würden bemerken, dass wir uns in allen Fällen zwischen gleichwertigen Alternativen entscheiden müssten.

In der Realität kennen wir allerdings in der Regel nicht alle möglichen Ergebnisse und Wahrscheinlichkeiten für Gewinne und Verluste. Und so bleibt unser „Bauchgefühl“ übrig, das uns Verluste vermeiden lässt, größere Risiken bei drohendem Verlust eingehen lässt, uns sichere Gewinne trotz besserer Chancen bei Wiederanlage dieser Gewinne einbehalten lässt – und uns definitiv täuscht.

Die fundamentale Wahrheit hinter der Verlustaversion lautet: Menschen gehen erhebliche Risiken ein, um Verluste auszugleichen. Das führt zum Beispiel dazu, dass Spieler Ihre Einsätze erhöhen, wenn sie in den roten Zahlen sind, auch wenn ihre Gewinnchancen geringer werden. Oder dass Investoren an der Börse weniger dazu bereit sind, Wertpapierezu verkaufen, die ihnen Verluste eingebracht haben, obwohl die Chancen auf Besserung der Kurse nicht größer geworden sind. Oder dass wir es ungerecht finden, wenn ein Unternehmen auf Grund von Umsatzeinbußen die Löhne um 7% senkt, bei einer Inflationsrate von 0%. Wohingegen wir es weniger moralisch verwerflich finden, wenn dasselbe Unternehmen die Löhne um 5% anhebt, bei einer Inflationsrate von 12%.

Genau wie bei der Ankerheuristik (siehe Blog-Beitrag vom 10.9.09) helfen bei der Verlustaversion objektive Daten. Gerade dann, wenn Sie etwas verloren haben, sollten Sie nicht auf Ihre Gefühle hören, sondern Ihre Ratio bemühen und möglichst viele objektive Informationen suchen. Ein Verlust kann Ihnen somit als Warnung dienen. Er sagt Ihnen: Verstand einschalten, kühl kalkulieren und die heißen Emotionen vorerst weglassen.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Besser entscheiden mit Psychologie – I

Auf Grund der uralten Einsicht, dass nicht alles menschliche Verhalten rational ist und der Möglichkeit neuer Forschungsmethoden erlebte Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts die Verbindung von Psychologie und Wirtschaftswissenschaften eine Renaissance: Mit Hilfe der Tools der Verhaltensökonomie konnten Forscher nun weitaus besser als zuvor das (ir-)rationale Entscheidungsverhalten des Homo sapiens erklären und vorhersagen.

Bevor Sie sich nun wertvolle Tipps für bessere Entscheidungen abholen, sind Sie herzlich eingeladen, ein paar Zeilen zur Prospect Theory (siehe Beitrag vom 09.09.09) zu lesen. Obwohl die meisten Untersuchungen zur Prospect-Theorie aus dem wirtschaftlichen Kontext stammen, gilt die Theorie jedoch für alle Bereiche unseres Entscheidungs-Lebens. Zeit also, dass Sie ein paar dieser Fehler kennen lernen, um sie in Zukunft zu vermeiden. Ab jetzt können Sie gerne jeweils Donnerstags unsere kleine Serie ‚Besser entscheiden mit Psychologie‘ nutzen. Viel Spaß beim Experimentieren mit den Ergebnissen der Verhaltensökonomik!

Teil 1: Die Ankerheuristik
Was schätzen Sie: Wieviel Geld gab die deutsche Automobilindustrie 2006 für Forschung und Entwicklung aus? Wir würden sagen: 28 Milliarden €. Jetzt sind Sie dran (ohne zu googeln 😉 !

Glauben Sie, unser ‚Tipp‘ hat Ihre Entscheidung beeinflusst? Möglich, denn wenn wir diese Schätzaufgabe 100 zufällig ausgewählten Personen stellen, überschätzen diese im Mittel die Forschungsgelder der Automobilindustrie. Das liegt daran, dass wir eine fiktive Zahl genannt haben, die viel zu hoch ist (Der wahre Wert beträgt 12,4 Mrd. €, Statistisches Bundesamt). Hätten wir ‚geschätzt‘, dass die Forschungsinvestitionen ca. 4 Mrd. € ausmachen, wäre der mittlere Schätzwert unserer Stichprobe weitaus niedriger ausgefallen.

Unsere ‚Versuchspersonen‘ hätten nämlich die Ankerheuristik verwendet. Sie ist eine Daumenregel zur Entscheidungsfindung und wird meist unbewusst angewendet. Grundlage: Wir schaffen es in den seltensten Fällen, eine erste Information NICHT zu beachten und/oder NICHT zu verarbeiten. Anschließend lassen wir diese erste Information als Ausgangspunkt (= ‚Anker‘) in unsere eigenen Überlegungen und Entscheidungen einfließen. Dies geschieht so subtil und unerkannt, dass es nur ein Mittel dagegen gibt: Objektive Daten.

Und es kommt noch besser: Die ‚Information‘, die wir vorab erhalten, muss nicht einmal unbedingt etwas mit der Entscheidung zu tun haben! Ein beeindruckendes Beispiel: Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman gab Versuchsteilnehmern die Anweisung, die letzten vier Ziffern ihrer Sozialversicherungsnummer auswendig zu lernen. Anschließend ließ er sie die Anzahl der niedergelassenen Psychotherapeuten in New York schätzen. Witziges und zugleich erschütterndes Ergebnis: Die Sozialversicherungsnummer der Versuchsteilnehmer hatte einen Einfluss auf die geschätzte Anzahl der Therapeuten (Korrelation: r=0.4): Je ’niedriger‘ die letzten 4 Zahlen waren (z.B. ‚1352‘), desto niedriger wurde auch die Therapeutenzahl geschätzt.

Noch einmal: Die einzige Chance, die Sie gegen die Ankerheuristik haben sind objektive Daten. Oder viele unabhängige (!) Meinungen.

Wird nächsten Donnerstag fortgesetzt!


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Psychologische Begriffe: „Prospect Theory“

Bis in die späten 70er Jahre des letzten Jahrhunderts war die wissenschaftliche Psychologie weitgehend darum bemüht, das Entscheidungsverhalten des Menschen rational zu erklären: Der Mensch als ‚homo oeconomicus‘, der seine privaten, beruflichen, finanziellen und sozialen Entscheidungen an einem Kosten-Nutzen-Kalkül ausrichtet. Oder genauer: An einem „Erwartungs x Wert – Modell“.

So einfach und schön diese Theorie sein mag, so ungenau spiegelt sie auch unsere komplexe Realität wieder. Und so beschäftigt sich die ‚Verhaltensökonomik‘ – eine relativ junge Disziplin, die das Zusammenspiel von wirtschaftlichen und psychologischen Faktoren untersucht – heute vorwiegend mit zunächst ‚irrationalem‘ Verhalten von Menschen und Märkten.

Die Rennaissance aller wissenschaftlichen Überlegungen zum ‚homo irrationalis‘ wurde 1979 von den Psychologen Daniel Kahnemann und Amos Tversky angekurbelt. Sie veröffentlichten einen Artikel mit dem Titel „Prospect Theory: Decision Making under Risk“. Mathematisch akribisch und experimentell evidenzbasiert legen die beiden späteren Nobelpreisträger darin wissenschaftliche Belege vor, dass das menschliche Entscheidungsverhalten einigen gut beschreibbaren Verzerrungen unterliegt.

Dabei geht es nicht um solche Entscheidungen, bei denen alle Informationen (Alternativen, Kosten, Nutzen) bekannt sind, sondern um die weitaus häufigeren Entscheidungen unter Risiken und Unsicherheit: Sollen wir unser Eigenkapital erhöhen? Soll ich nachgeben oder auf meinem Standpunkt beharren? Wie wirkt sich das Joint-Venture mit Firma X auf unseren Unternehmenserfolg aus? Kind oder Karriere? Noch ein Bier? Rote oder schwarze Schuhe?

Die Botschaft der Prospect-Theorie (für die es keine einheitliche dt. Übersetzung gibt – die gelungenste Übersetzung für ‚Prospect‘ wäre wohl ‚Wahrnehmungsperspektive‘) lautet: Menschen machen bei jeglichen Entscheidungen unter Unsicherheit systematisch Fehler, weil sie selbst ihre eigene Wahrnehmung verzerren und nach einfachen Daumenregeln vorgehen, die mal falsch und mal richtig sein können.

In wissenschaftlichen experimentellen Studien zur Prospect-Theorie werden zumeist wirtschaftliche Entscheidungsszenarien untersucht, weil dort relativ einfach und eindeutig Gewinne und Verluste quantifiziert werden können, welche die Folge unterschiedlicher Entscheidungsstrategien sind. Und selbst in diesen berechenbaren Szenarien wird klar: Bei den wenigsten Entscheidungen können wir alle möglichen Faktoren derart berücksichtigen, dass wir sicher sein können, die optimale Entscheidung getroffen zu haben. Allerdings: Wir machen teilweise krasse Fehler, die wir eigentlich vermeiden sollten (und können!).

Obwohl die meisten Untersuchungen zur Prospect-Theorie aus dem wirtschaftlichen Kontext stammen, gilt die Theorie jedoch für alle Bereiche unseres Entscheidungs-Lebens. Die Zeit ist also reif, dass Sie ein paar dieser Fehler kennen lernen, um sie in Zukunft zu vermeiden. Start: morgen. Ab jetzt können Sie gerne jeweils Donnerstags unsere kleine Serie ‚Besser entscheiden mit Psychologie‘ nutzen. Viel Spaß beim Experimentieren mit den Ergebnissen der Verhaltensökonomik!

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

From Stress to Financial Mess

Dieser Teufelskreis ist einer der ganz gemeinen Sorte: Akuter Stress führt laut einer Studie der Rutgers University of New Jersey zu erhöhter Risikobereitschaft bei finanziellen Entscheidungen. Und bringt uns damit in der Regel in (noch größere) finanzielle Schwierigkeiten, was wiederum akut stressauslösend wirkt.

Es ist wenig überraschend, dass wir in einer Zeit, die bestenfalls als „wirtschaftlich ungewiss“ bezeichnet werden kann, unter erhöhten Stressreaktionen leiden. Anthony Porcelli und Mauricio Delgado zeigten nun, dass unsere Stressreaktionen einen Teufelskreis auslösen können. Sie ließen Ihre Versuchsteilnehmer finanzielle Entscheidungen treffen. Die Hälfte der Teilnehmer wurde dabei akutem Stress ausgesetzt. Ihre Wahlmöglichkeiten waren entweder riskant (wenig wahrscheinlich, dafür aber mit hohen Verlusten oder Gewinnen verbunden) oder konservativ (sehr wahrscheinlich, aber geringe Verluste oder Gewinne).

Die Ergebnisse zeigten zunächst einen typischen „Reflection Effect“ – eine psychologische Tendenz, eher konservativ zu entscheiden, wenn wir zwischen zwei positiven Ergebnissen wählen können (wir nehmen dann den ’sicheren‘ Gewinn mit), dafür unser Risikoverhalten erhöhen, wenn wir zwischen zwei Ergebnissen wählen können, die beide mit einem Verlust enden (hier versuchen wir, die Wahrscheinlichkeit für einen Verlust zu minimieren).

Interessanter Weise verstärkte Stress diesen Effekt: während sie Stress ausgesetzt waren, verhielten sich die Teilnehmer konservativer bei Chancen auf Gewinne und weitaus risikobereiter, sobald sie zwischen zwei Szenarien wählen konnten, die beide zu Verlusten führten.

Die Forscher erklären, dass wir unter Stress-Bedingungen in automatisch ablaufende Low-level-Denkprozesse zurückfallen und damit weniger fähig sind, unsere Entscheidungen auf rationale und unabhängige Gedanken zu stützen.

Der einzig gute Rat lautet demnach: Think twice. Erkenne den Stress und sei dir bewusst, dass du unter Stress zu Schnellschüssen und Fehlentscheidungen neigst. Wäge deine Entscheidung falls möglich noch einmal ab, schlafe eine Nacht darüber und frage eine vertrauensvolle Person, die in der Sache Fachkompetenz besitzt – und nicht momentan gestresst ist.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Delgado, M., Porcelli, A. (2009). Acute Stress Modulates Risk Taking in Financial Decision Making, Psychological Science

Brauchen Sie Hilfe? – Kein Problem!

„Entschuldigung, könnte ich bitte kurz Ihr Handy benutzen? Dauert nur eine Minute!“ Versetzen Sie sich selbst in diese Situation: Wie viele Personen müssten Sie fragen, bis Sie Ihr Telefonat führen können? Was schätzen Sie?

Drei, fünf, zehn? Wenn Ihre Schätzung in diese Richtung geht, sind Sie relativ pessimistisch eingestellt, was die Hilfsbereitschaft in unserer Gesellschaft angeht. Genauso, wie die große Mehrheit der Bevölkerung. Aber warum sind wir so pessimistisch, und liegen wir überhaupt richtig mit dieser Vermutung?

Frank Flynn, associate professor of organizational behavior an der Stanford Graduate School of Business und Vanessa Lake, Psychologin an der Columbia University, sind dieser Frage nachgegangen. In einer Reihe von Studien untersuchten sie das Phänomen Hilfeleistung und vor allem die Annahmen, die wir darüber hegen.

In einer ersten Studie wurde den Probanden dieselbe Frage gestellt wie Ihnen am Ende des ersten Absatzes: ‚Was würden Sie schätzen?‘ Die Befragten nahmen an, dass man durchschnittlich 10 Personen bitten müsste, um 3 Gespräche führen zu können. Diese Einschätzung ist jedoch zu negativ, wie die Studie zeigt: Tatsächlich war jeder Zweite bereit, sein Handy zur Verfügung zu stellen!

In einer weiteren Studie sollte die Spendenbereitschaft bei einer Hilfsaktion für Leukämiepatienten eingeschätzt werden. Wieder waren sämtliche Prognosen zu negativ. Die Menschen, die um eine Spende gebeten worden waren, spendeten fast doppelt so häufig wie erwartet, und gaben im Durchschnitt auch deutlich höhere Beträge.

Warum wir die Hilfsbereitschaft anderer unterschätzen erklären die Forscher so: Werden wir persönlich in der Öffentlichkeit um eine Hilfeleistung gebeten, sind wir durch zwei Dinge motiviert zu helfen: Zum einen durch unsere Sozialisation, wo wir gelernt haben, Hilfsbedürftigen zu helfen. Zum anderen aber durch ’sozialen Druck‘: Wir haben Angst davor, in der Öffentlichkeit schlecht dazustehen und wollen nicht, dass uns andere für unsozial halten. Genau diese zweite Motivation kommt aber nicht auf, wenn wir nur Vermutungen darüber anstellen sollen, wer wann wie oft hilft.

Die Hypothese der Forscher wurde empirisch bestätigt: Passanten sollten dazu angehalten werden einen Fragebogen auszufüllen. Dies geschah einmal sehr persönlich, indem sie direkt angesprochen wurden. Der Kontrollgruppe wurde der Fragebogen einfach kommentarlos ausgehändigt. Das Ergebnis: In der ersten Gruppe war fast jeder zweite bereit den Fragebogen auszufüllen, bei der kommentarlosen Übergabe dagegen nur jeder Fünfzehnte!

Also, wenn Sie das nächste Mal Hilfe brauchen, zögern Sie nicht und fragen Sie! Auch wenn der Gefragte vielleicht keine Lust hat, er wird helfen, weil er nicht als Egoist dastehen will. Und wenn Sie ganz dringend Hilfe benötigen: Sorgen Sie zunächst für etwas Publikum und bitten Sie anschließend eine bestimmte Person direkt um Hilfe. Damit haben Sie für sozialen Druck gesorgt und dafür, dass sich der Gefragte persönlich verantwortlich fühlt, falls er Ihnen die Hilfeleistung verweigert.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Flynn, F. J., Lake, V. K. (2008): If you need help, just ask: Underestimating compliance with direct requests for help. Journal of Personality and Social Psychology, 95/1: pp. 128-143.