Psychologische Begriffe: Dissonanz

Stellen Sie sich vor, Sie sind auf Diät. Diesmal ziehen Sie es durch. Und dann finden Sie sich plötzlich Schokolade essend vor dem Fernseher wieder.

Diese Situation schmeckt Ihnen bestimmt nicht. Die Spannung, die Sie dabei fühlen nennen Sozialpsychologen ‚Kognitive Dissonanz‘. Sie entsteht immer dann, wenn zwei oder mehr Kognitionen – das heißt: Bewusstseinsinhalte, Gedanken, Gefühle, Verhaltensweisen, Überzeugungen, Einstellungen – unvereinbar sind. Siehe auch Wikipedia für eine genauere Begriffsdefinition.

Schon 1957 stellte der Psychologe Leon Festinger fest, dass Menschen sich in der Regel konsistent verhalten wollen. Wir haben feste Glaubenssätze und Einstellungen, die wir nicht gerne ändern. Wir verhalten uns in ähnlichen Situationen gleich und haben bestimmte Meinungen, die wir auch mit Bestimmtheit durchsetzen wollen. Und wenn wir auf Diät sind, dann sind wir auf Diät.

Falls wir nun also während der Diät ’sündigen‘, nehmen wir zwei Dinge wahr: 1. unsere Überzeugung, dass uns eine Diät gut tut und 2. unser Verhalten, das so gar nicht zu unserer Überzeugung passen mag. Diese Diskrepanz zwischen 1. und 2. wollen wir natürlich nicht auf Dauer spüren – das Gefühl ist sehr unangenehm, wie Sie vielleicht wissen. Und deshalb versuchen wir bewusst oder unbewusst, diese Spannung wieder zu reduzieren.

Und hier wird Festingers Theorie interessant. Er beschreibt nämlich ganz allgemein Wege, wie wir Kognitive Dissonanz wieder abbauen können:

  1. unsere Überzeugung ändern: „Eigentlich muss ich keine Diät halten“
  2. die eigene Wahrnehmung anpassen: „Ich habe doch nur ein bisschen davon gegessen“
  3. konsonante Kognitionen suchen, das bedeutet das eigene Verhalten schön reden: „Allerdings ist Schokolade auch nahrhaft und regt den Stoffwechsel an“
  4. den gesamten inneren Konflikt herabspielen: „He, was soll´s, das Leben ist kurz“
  5. sich die eigenen Wahlmöglichkeiten abreden: „Ich hatte keine Wahl. Die Schokolade läuft bald ab und außer mir isst sie ja eh keiner“

Die Reduktion von kognitiver Dissonanz lässt sich in vielen Situationen beobachten, so z.B. wenn man stundenlang für ein Konzert in der Schlange steht und am Ende die Musiker schlecht waren oder man aus irgendwelchen Gründen am Konzertabend verhindert war. Probieren Sie es selbst aus: Welche ‚Ausreden‘ würden Sie in den beiden Fällen benutzen?

Der Feind meines Feindes ist mein Freund
Festingers Theorie kann auf beliebig viele Kognitionen ausgedehnt werden. Ein beliebtes Beispiel: A mag B nicht. Nun kommt X und fängt mit B Streit an.


Welche Möglichkeiten hat A nun?

1. Er könnte mit X Freundschaft schließen. So hätten X und A ein gutes Verhältnis und könnte gemeinsam gegen B vorgehen. Das Beziehungsdreieck wäre damit konsonant.
2. Er könnte versuchen, mit B einen Neuanfang zu starten, müsste dafür aber X außen vor lassen.
3. Er könnte versuchen, mit B einen Neuanfang zu starten und ihn gleichzeitig von X´s Qualitäten überzeugen.

Von den 3 Möglichkeiten ist die dritte sicherlich die aufwändigste und die erste mit Abstand die einfachste. Ein Sozialpsychologe würde demnach – falls er keine anderen Informationen über die Situation hat – vorhersagen, dass sich hier zunächst eine Allianz von A und X gegen B bildet.

Übrigens Die Konstellationengehen auf Dauer NICHT. Sie sind DISSONANT. Warum? Der linke Fall ist für alle Parteien schlecht. Sind A, B, X Geschäftspartner, hat niemand einen Profit davon, wenn sich keiner mag. Es ist zu erwarten, dass sich zumindest zwei der Parteien zusammenschließen werden. Im rechten Fall (nehmen wir an, es handelt sich um ein Partnerschaftsproblem) sollte es B und X stören, dass der jeweils andere mit A gut zurecht kommt. Ein typischer Fall von Eifersucht! A sollte ebenfalls auf lange Sicht keinen Gewinn aus der Sache ziehen – Falls B und X nämlich anfangen sich zu mögen, könnte er bei beiden in Ungnade fallen (wie so oft bei ‚Dreiecksbeziehungen‘).

Im Rahmen unserer Business- und Partnerschaftstipps (Mo und Fr) werden wir noch öfter auf die Theorie der Kognitiven Dissonanz zurückkommen. Viele Herausforderungen des Lebens lassen sich damit elegant veranschaulichen und oft auch bewältigen.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Psychologische Begriffe: ‚Big5‘

Was meinen Psychologen, wenn sie von den ‚Big Five‘ der Persönlichkeit sprechen?

Wissenschaftliche Psychologen und Praktiker versuchen, das Verhalten von Menschen zu erklären und vorherzusagen. Zum Beispiel wollen Personalverantwortliche wissen, wie gut sich ein bestimmter Bewerber machen wird und wie man ihn so einsetzt, dass er die beste Leistung erbringt. Klinische Psychologen wollen die Ursachen für Verhaltensstörungen erklären, damit sie sie beseitigen können. Forensische Psychologen müssen klären, ob ein Straftäter deviantes Verhalten in Zukunft wiederholt zeigen wird.

Alle diese Entscheidungen werden unter einer gewissen Unsicherheit getroffen, denn menschliches Verhalten ist von sehr vielen Faktoren abhängig, die niemals alle in einer Untersuchungssituation erfasst werden können. Außerdem ändern sich manche der Faktoren, wie die aktuelle Motivation oder der Gesundheitszustand sehr rasch.

Die psychologische Forschung hat sich deshalb sehr früh mit solchen verhaltenswirksamen Faktoren beschäftigt, die über die Zeit relativ stabil bleiben: Den Merkmalen und Ausprägungen unserer Persönlichkeit. Sie sind genetisch festgelegt und/oder (je nach psychologischer Anschauung)) in Kindheit und Jugend gelernt.

Unsere Persönlichkeitseigenschaften sind uns eigentlich nicht bewusst. Wie verschafft man sich dennoch einen Zugang zur Persönlichkeit des Menschen? Meist durch wissenschaftliche psychologische Tests und Fragebögen, in denen die Teilnehmer selbst Angaben zu ihrem Erleben und Verhalten in verschiedenen Situationen machen können und die nach wissenschaftlichen Kriterien objektiv ausgewertet werden.

Ziel der Auswertung ist es dabei, jedem teilnehmenden Menschen ein indiviuelles Persönlichkeitsprofil zuzuweisen – um ‚Schubladendenken‘ zu vermeiden und die Persönlichkeit zum Beispiel auf ein bestimmtes Merkmal zu reduzieren – wie wir es im Alltag oft machen: ‚Der ist dumm.‘ Oder: ‚Sie ist ein ordentlicher Mensch.‘

Persönlichkeitsfragebögen bestehen oft aus vielen Fragen. In der persönlichkeitspsychologischen Forschung hat sich gezeigt, dass man diese Fragen zur Beschreibung der Persönlichkeit ohne großen Informationsverlust auf wenige Faktoren zusammenfassen kann. Mit Hilfe statistischer Verfahren wie Cluster- oder Faktorenanalysen kann man diese ‚Persönlichkeitsdimensionen‘ extrahieren.

Dabei zeigte sich schließlich bei vielen Fragebögen, dass für eine relativ umfassende Beschreibung der Persönlichkeit fünf globale Faktoren übrig bleiben, nämlich:

  1. Offenheit für neue Erfahrungen und Menschen, Kreativität
  2. Verträglichkeit im Umgang mit anderen
  3. Extraversion: Kommunikation und Interaktion mit anderen
  4. Gewissenhaftigkeit: (Selbst-)Organisation und Verantwortlichkeit
  5. Emotionale Stabilität (Gegenteil: Neurotizismus)

Vorausgesetzt der Fragebogen genügt wissenschaftlichen Kriterien und die Teilnehmer sind ehrlich, kann nun für jeden Teilnehmer die Ausprägung auf jeder dieser Big5 Dimensionen bestimmt werden. Letztendlich nichts anderes als kompliziert berechnete Punktwerte.

Wichtig ist, dass die Persönlichkeit nicht allein durch das Ausfüllen eines Fragebogens bestimmt werden kann – Wie es Autoren mancher nichtwissenschaftlicher Fragebögen behaupten: „Wer bin ich? In 5 Minuten wissen Sie alles über Ihre Persönlichkeit!“. Erfahrene Psychologen suchen deshalb immer zusätzlich das Gespräch, ergründen die Biografie ihres Klienten/Patienten oder ziehen Ergebnisse aus Leistungstests hinzu.

gepostet i,.A. von Dr. Stephan Lermer

Psychologische Begriffe: „Part-List-Cuing“

Meine Einkaufsliste: ‚Mehl, Toast, Butter, WC-Reiniger, Frischhaltefolie, Kerzen, Sekt. Was noch? Äh…hm… Irgend etwas wollte ich doch noch aufschreiben!? Also nochmal: Mehl, Toast, Butter, WC-Reiniger, Frischhaltefolie, Kerzen, Sekt. Hm. Naja, fällt mir schon wieder ein.‘

Kennen Sie das? Geben Sie es zu.
Die obigen Zeilen sind ein Beispiel für einen Gedächtniseffekt, der bei allen Menschen existiert. Forscher sprechen dabei von „Part-List-Cuing“ (‚PLC‘) und meinen damit das Phänomen, dass zuvor gelernte Informationen nicht mehr aus dem Gedächtnis abgerufen werden können, sobald viele ähnliche Informationen vorhanden sind.

Ein Beispiel aus dem Büroalltag: ‚Meier anrufen wegen Kommission Wagner, Frau Schulz und Herrn Müller briefen wegen des Meetings um 12, Besprechungstermin mit Tanja um 4, Handwerker kontaktieren wegen der Küche, Tommy heute abend schon um 6 Uhr zum Sport bringen und…‘ ja, da war noch etwas. Fällt einem bestimmt auf dem Rückweg ein – eventuell erst, wenn es zu spät ist.

Warum fallen uns wichtige Dinge gerade jetzt nicht ein, obwohl uns ganz ähnliche Informationen bereits vorliegen? Warum vergessen wir beim Betrachten unserer Einkaufsliste manche der Dinge, die wir uns noch aufschreiben wollten, obwohl wir doch ganz ähnliche Dinge bereits aufgeschrieben haben und uns diese Dinge doch eigentlich helfen sollten, die anderen zu erinnern?

Fest steht: gerade weil sie dort stehen, wirken sie sich negativ auf unsere Erinnerung aus! Wodurch dieser seltsame Effekt zustande kommt ist bis heute nicht geklärt. Vieles spricht aber dafür, dass beim Abruf vieler ähnlicher Informationen (das heißt: beim Erkennen oder auch beim Erinnern) die eigentlich gesuchten Erinnerungen aktiv gehemmt werden.

Warum um alles in der Welt? Es wäre doch definitiv vorteilhafter, wenn wir immer alles ‚parat‘ hätten und uns ohne nachzudenken erinnern könnten. Allein: Die bewusste menschliche Informationsverarbeitungskapazität ist begrenzt (siehe unseren Blog-Beitrag vom 19.März, incl. Video zum Selbsttest!). Wir können uns nicht auf beliebig viele Dinge gleichzeitig konzentrieren.

Sehen wir also unsere Einkaufsliste oder den Terminkalender durch, so verarbeiten wir in diesem Moment bewusst die Informationen, die wir eben gerade anschauen. Für die eigentlich relevanten Dinge ist damit ‚kein Platz‘. Auf Grund ihrer Ähnlichkeit ‚drängen‘ sie allerdings gewissermaßen zur bewussten Verarbeitung. Die paradoxe Folge: Sie werden aus dem momentan bewussten Teil des Gedächtnisses gelöscht und ihre Repräsentation im Gedächtnis wird abgeschwächt. Zumindest zeitweise, was auch der Grund dafür ist, dass uns die wichtigen Dinge später wieder einfallen.

Die Lösung des Part-List-Cuing-Problems sind Gedächtnisstrategien, die im Prinzip jeder anwenden kann. Verbinden wir neue Informationen schon beim Einprägen stark mit den bereits vorhandenen Infos – zum Beispiel durch bildhafte Vorstellung – werden diese Informationen in unserem Gedächtnis als Einheit repräsentiert und können vollständig wieder abgerufen werden.

Auch die berühmte LOCI-Methode kann helfen, sich Informationen im Verbund vorzustellen und mit bereits bestehendem Wissen zu integrieren. Eine Kurzanleitung zur LOCI-Technik finden Sie hier (Wikipedia)

Das Wichtigste zum Schluss: Forscher sprechen von ‚funktionierendem Part-List-Cuing‘ und werten das Phänomen als Indikator für ein gesundes Gedächtnis. Der Sinn des PLC ist vermutlich, dass wir uns ohne Ablenkung auf die vorliegenden Informationen konzentrieren können.

Allerdings ist es für uns alle von Vorteil, wenn wir unser gesundes Gedächtnis von Zeit zu Zeit überlisten.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Psychologische Begriffe: „Metakommunikation“ – Gespräche optimieren

Metakommunikation bedeutet ‚Kommunikation über Kommunikation‘. Die Gesprächspartner wechseln dabei in einer Debatte die Perspektive und sehen sich ihre Kommunikationssituation ‚von oben‘ an.

Ein einfaches Beispiel: „Ich ärgere mich darübert, dass du mich die ganze Zeit unterbrichst. Wie sollen wir so vernünftig diskutieren?“ Man steigt also aktiv aus der Diskussion aus und zwingt den Gesprächspartner, zusammen kurz über den Gesprächsprozess zu reflektieren. Metakommunikation ist damit eine selbst vorgenommene Analyse der Kommunikationssituation mit dem Ziel, Kommunikationsprobleme zu verdeutlichen, deren Ursachen zu ergründen und sie zu lösen.

Ein anderes Beispiel. Meeting: „Momentan verläuft die Diskussion nur zwischen uns beiden. Möchten die anderen Teilnehmer auch etwas beitragen? Finden Sie das Gespräch zielführend, langweilen Sie sich oder sind Sie ganz anderer Meinung?“ Nun sind die anderen Teilnehmer aufgefordert, sich zum Verlauf der Diskussion zu äußern. Ziel ist, alle wieder in die Diskussion einzubinden.

Und nun betreiben wir einmal ‚präventive Metakommunkation‘: Wie sollte man allgemein Kommunikationssituationen strukturieren, damit sie effizient und effektiv verlaufen? Aus der Forschung zur Metakommunikation lassen sich einige einfache Handlungsempfehlungen ableiten, die im Vorfeld jeder Diskussion geklärt werden können:

  • Einander zuhören und ausreden lassen
  • Aktiv zuhören: Nachfragen, Verständnis signalisieren, Paraphrasieren.
  • Sich gegenseitig zu verstehen geben, wie das Gespräch empfunden wird.
  • Thematisch am gerade Gesagten anknüpfen
  • Beschimpfungen und Sarkasmus vermeiden
  • „Ich-Botschaften“ statt „Du-Botschaften“ senden
  • Den anderen die Chance geben, die eigene Position besser zu verstehen

Angewandte Forschung hat gezeigt, dass sich Gesprächsrunden sehr rasch optimieren lassen, wenn man diese Punkte vorab klärt und sich nach den Gesprächen kurz darüber austauscht, ob sie eingehalten worden sind. Zusätzlich kann man die Effizienz von Gruppendiskussionen um ein Vielfaches steigern, wenn man einen Moderator bestimmt, der während der Diskussion die Einhaltung der Kommunikationsregeln überprüft und bei Verletzungen regulierend eingreift.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Psychologische Begriffe: Fundamentaler Attributionsfehler

Stellen Sie sich vor, Sie sehen sich das abendliche Fernsehquiz an. Wen halten Sie gewöhnlich für schlauer? Den Quizmaster oder die Kandidaten? Und wie steht es mit Ihnen selbst? Sind Sie schlauer als der Quizmaster oder die Kandidaten oder liegt Ihre Intelligenz irgendwo dazwischen?

Nicht sicher? Stimmt. Wir wissen es eigentlich nicht. Vor allem nicht in Einzelfällen. Trotzdem scheint der Quizmaster immer alle Antworten zu kennen und kann sich darüber auch eloquent äußern. Sicher ein intelligenter Mann. Und die Kandidatin: bei 500€ versagt. Nicht die Hellste.

Die oben beschriebene Einschätzung ist ein gutes Bespiel für einen oft begangenen Wahrnehmungsfehler, der im Englischen als ‚Actor-Observer-Effect‘ bezeichnet wird. Er beschreibt die Tatsache, dass wir Verhalten anderer Menschen oft auf deren Persönlichkeit zurückführen, während wir unsere eigenen Verhaltensweisen gewöhnlich differenzierter betrachten und auf die Umstände schieben.

Ein weiteres typisches Beispiel für den im deutschen als ‚Fundamentaler Attributionsfehler‘ bekannten Effekt ist Streit in der Partnerschaft: „Immer wirfst du mir Dinge vor, die unter die Gürtellinie gehen! So bist du eben: Kein Niveau!“ Man selbst ist natürlich „jedesmal anders“ und kann sich gut auf verschiedene Themen und Situationen einstellen. Der andere „ist halt so“, demnach persönlich verkorkst und eigentlich nicht mehr zu retten. Der Streit eskaliert.

Für den Fundamentalen Attributionsfehler gibt es vier wesentliche Erklärungen:

  1. Unterschiedliche Informationsgrundlage: Offensichtlich wissen wir mehr über uns selbst als über die anderen Menschen. Wir erleben uns in vielfältigen, unterschiedlichen Situationen und begreifen, dass wir uns je nach Situation auch unterschiedlich verhalten. Unsere Interaktionspartner dagegen lernen wir in immer gleichen oder sehr ähnlichen Situationen kennen – die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie sich auch immer gleich verhalten. Zudem versuchen unsere Interaktionspartner oft auch aktiv, uns ein gewisses (meist positives) stimmiges Bild zu liefern, indem sie sich möglichst gleich verhalten. Sie liefern uns damit selbst einseitige Informationen.
  2. Unterschiede in der Wahrnehmungsperspektive: Insbesondere in Kommunikationssituationen ist die eben Situation für uns sehr wichtig und wird deshalb verstärkt wahrgenommen. Wir selbst treten wahrnehmungsmäßig in den Hintergrund. Beobachten wir dagegen eine Kommunikationssituation von außen, achten wir verstärkt auf das Verhalten der Akteure, die ja zur Situation gehören und die Hauptrolle darin spielen.
  3. Selbstwertdienlichkeit: ‚Wenn es andere tun, ist es deren Fehler. Wenn ich es selbst tue, ist die Situation schuld.‘ Beobachten Sie sich einmal selbst, wenn Sie über negative Dinge berichten: Sie werden versuchen, sich vor sich und anderen selbst zu entschuldigen, indem Sie die Umstände verantwortlich machen. Zurecht. Denn Ihr Selbstwertgefühl würde erheblich leiden, wenn Sie sich für alles Negative allein verantwortlich machen. Wollen wir auf Dauer glücklich und nicht depressiv sein, brauchen wir diese ’selbstwertdienliche Attribution‘ sogar. Andere für Missgeschicke verantwortlich zu machen ist dagegen in der Regel einfach und berührt meist nicht unser persönliches Selbstwertgefühl.
  4. Kontrollbedürfnis: Menschen haben das Bedürfnis, das Verhalten anderer in unsicheren Situationen voraussagen und kontrollieren zu können. Deshalb ist es von Vorteil, den anderen ‚zu kennen‘. Man erwartet (oder hofft) also, dass sich Menschen in allen zukünftigen Situationen gleich verhalten. Nämlich so, wie sie sich bisher auch verhalten haben. Wir sagen dann letztendlich: Aha, so sind sie eben. Wenn ich also A sage, sagen sie mit großer Wahrscheinlichkeit B.

Der Fundamentale Attributionsfehler hat also einen großen Vorteil und zwei kleinere Nachteile: Auf der einen Seite lässt er uns das Verhalten anderer Menschen mit ziemlicher Sicherheit und wenig geistigem Aufwand voraussagen.

Auf der anderen Seite kann durch ihn unsere Einschätzung anderer leicht manipuliert werden (vor allem zum Positiven in Kombination mit dem Halo-Effekt, siehe Beitrag vom 27.5.09). Und er stellt uns oft ein Bein bei Menschen, die wir eigentlich gut kennen sollten.

Gerade zur Lösung von Konfliktsituationen mit Freunden, langjährigen Kollegen und Partnern ist es deshalb von Vorteil, sich in sie hineinzuversetzen und zu versuchen, ihre Perspektive wahrzunehmen. Als Mensch, der sich in verschiedenen Situationen eben auch verschieden verhält. Und nicht ’so ist, wie er eben ist.‘

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Psychologische Begriffe: Reaktanz

Lesen Sie jetzt bitte nicht weiter. Sie werden manipuliert.

Schon geschehen.

Wir haben es Ihnen ja gesagt… Falls Sie sich jetzt auch nur leicht verärgert fühlen, bitten wir Sie um Entschuldigung. Selbstverständlich haben Sie – nur Sie allein! – die Freiheit, diesen Beitrag zu lesen oder es zu unterlassen.


Mit dem ersten Satz sollten wir in Ihnen ‚Reaktanz‘ ausgelöst haben, wenn auch nur zu einem geringen Grad. Sie hatten sich soeben die Freiheit genommen, den Beitrag zu lesen und nun schränkt Sie jemand von vorneherein in dieser Freiheit ein, indem er Sie darauf hinweist, das doch bitte bleiben zu lassen. Die logische Folge: Sie werden noch motivierter sein, den Beitrag zu lesen, weil ES DOCH IHRE ENTSCHEIDUNG IST, UND SIE JETZT MACHEN, WAS SIE WOLLEN!!!

Nun ja…. Bereits 1966 formulierte Jack W. Brehm seine ‚Reaktanztheorie‘, die eine der einflussreichsten Theorien der Sozialpsychologie werden sollte und bis heute Ihren Geltungsbereich, zum Beispiel in der Markt- und Werbepsychologie oder der Verkaufspsychologie hat.

Die Grundaussage der Theorie ist ganz einfach: Der Mensch ist motiviert, seine Freiheit zu erhalten.‘

Wird diese Freiheit bedroht oder genommen entsteht Reaktanzmotivation – eben der Drang zur Freiheitswiederherstellung. Die Reaktanzfolgen können vielfältig sein:

In beinahe allen Fällen wird zum Beispiel die verbotene Tätigkeit oder Alternative attraktiver. Ein schönes Beispiel ist der sogenannte „Romeo-und-Julia-Effekt“: Die Intervention der Eltern (‚Was willst du denn mit DEM?‘) macht den Geliebten nur noch attraktiver (Der Reiz des Verbotenen).

Eine weitere Reaktanzfolge ist unmittelbare direkte oder indirekte Freiheitswiederherstellung. Direkte Freiheitswiederherstellung haben Sie gerade betrieben, indem Sie den Artikel trotz oder gerade wegen unserer Bitte weiter gelesen haben. Bereits im Kindergartenalter kann man direkte Freiheitswiederherstellung beobachten, wenn plötzlich aus einem Set von verschiedenfarbigen Autos das gelbe Fahrzeug an Attraktivität gewinnt, bloß weil Michi es sich zuerst geschnappt hat. Die Folge: Tommy fühlt sich in seiner Freiheit eingeschränkt, lässt alle anderen gleichwertigen Autos links liegen und überfällt Michi, um ihm das Auto zu entwenden. Das gelingt und nun ist natürlich Michis Freiheit eingeschränkt. Der Konflikt eskaliert.

Womit wir bei der letzten Reaktanzfolge sind: Der Aggression. Vielleicht haben Sie sich ein klein wenig über unseren Manipulationsversuch am Anfang des Beitrags geärgert. Selbst wenn diese geringe Reaktanzmanipulation keine Aggression hervorgerufen hat, kann man sich leicht vorstellen, dass Freiheitseinschränkungen zu Wut und Enttäuschung führen. So provoziert bei den G8-Gipfeln allein schon das ‚Aussperren‘ der Demonstranten Aggression. Und Pannen bei der Übertragung von Fussballspielen führen mit großer Wahrscheinlichkeit zu Wutausbrüchen.

Im Alltag erliegen wir sehr oft den Reaktanzfolgen. Eine Ware zu kaufen, weil es ’nur noch wenige Exemplare‘ davon gibt oder unverhältnismäßige Zugeständnisse bei Vertragsverhandlungen zu machen, nur ‚weil die Zeit drängt‘ (und nach Ablauf des Ultimatums keine Freiheit mehr bestünde) sind besonders auffällige Reaktanzsituationen. Aber schon kleine Dinge, wie die Entscheidung für den Film des Abends oder eben das Spielzeugauto können Reaktanzproblematiken auslösen.

Reaktanz ist oft nur schwer zu erkennen. Aller Anfang ist dabei eine verbesserte Selbsterkenntnis: Bewusstes Nachdenken über die Situation und die eigenen Gefühle, bevor man eine falsche oder übertriebene Entscheidung aus Reaktanz fällt.

Auch Reaktanz bei anderen nachträglich wieder zu reduzieren ist sehr schwer, wenn die Reaktanzmotivation einmal besteht: Die Freiheit muss völlig wiederhergestellt werden, und alle Alternativen müssen wie zu Beginn frei zugänglich sein! Mit dem dritten Absatz haben wir das bei Ihnen versucht. Ergründen Sie Ihre Gefühle: Fühlten Sie sich wirklich frei? Falls ja: Vielen Dank, dass Sie den Beitrag trotzdem bis zum Ende gelesen haben 😉

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer