„Ordnung im Chaos“ – Unser Verlangen nach Struktur beeinflusst unsere Entscheidungen

Teil 1 – z.B. bei Wertpapieren

Haben Sie sich jemals gefragt, wie Aberglaube entsteht? Oder wie Verschwörungstheorien entstehen? Oder warum Börsenkurse sich manchmal völlig irrational verhalten?

Wir Menschen versuchen ständig, Ordnung in das Chaos dieser Welt zu bringen. Damit wir sie verstehen können, damit wir unser Verhalten an äußere Bedingungen anpassen können, damit wir Gefahren vorhersagen können. Unser Bedürfnis nach Ordnung geht sogar so weit, dass wir, wenn uns objektive Fakten fehlen, die Sterne um Rat fragen – eigentlich sinnlos, aber es gibt uns ein gutes Gefühl. Ein Gefühl der Kontrolle.

Und wann brauchen wir dieses Gefühl am meisten? Richtig. Wenn wir die Kontrolle verloren haben. Das heißt, wenn wir das Gefühl haben, dass wir fremdgesteuert werden, dass nichts, was wir tun, auch nur irgendetwas ändert und alles eigendynamisch in eine zufällige Richtung steuert. Welche phänomenalen Auswirkungen Kontrollverlust auf unser Ordnungsbedürfnis haben kann wurde jetzt wissenschaftlich untersucht.
Aber machen wir zunächst einen kleinen Test. Was erkennen Sie?

Nichts? Gut so. Die Punkte sind nämlich chaotisch verteilt. Lässt man seiner Fantasie eine Zeit lang freien Lauf, so erkennt man mit der Zeit sicher das ein oder andere Muster. Das ist normal und kann sogar Spaß machen.

Jennifer Whitson und Adam Galinsky von der Universität in Austin (Texas) hatten eine andere Hypothese: Je geringer unser Kontrollgefühl, desto verzweifelter versucht unser Gehirn, Ordnung in die Welt zu bringen. Deshalb sollten Menschen, denen während ihrer Experimente das Gefühl von Kontrollverlust vermittelt worden war*, schneller irgendwelche Dinge, Bilder oder Muster in ihren chaotischen Punktwolken erkennen als in einem entspannten Zustand. Das zeigte sich auch.

Doch Whitson und Galinsky gingen noch einen Schritt weiter. Und hier wird das Experiment interessant: Sie lieferten ihren Probanden zufällig ausgewählte Statements über Börsenkurse. Diejenigen Versuchsteilnehmer, die über ein geringeres Kontrollgefühl verfügten, sahen in den zufälligen Statements eher Zusammenhänge und Trends als die anderen Versuchsteilnehmer. Sie waren auch eher zu Entscheidungen über Kauf und Verkauf bereit.

Gerade in der aktuellen Wirtschaftskrise könnten Gefühle von Kontrollverlust eine wichtige Rolle spielen. Jennifer Whitson: ‚Das wachsende Gefühl von Kontrollverlust bei Börsenhändlern und Investoren hat das Chaos nur noch verstärkt. Menschen reagieren in solchen Situationen besonders irrational und machen selbst wichtige Entscheidungen etwa von ihrem Horoskop und kleinen Ritualen abhängig.‘

Lesen Sie nächste Woche, wie mangelndes Kontrollgefühl die Entstehung von Aberglauben begünstigt und wie wir unsere Entscheidungen verbessern können, indem wir unser Kontrollgefühl wiederherstellen.

*ein geringes Kontrollgefühl kann ausgelöst werden, indem man den Versuchspersonen zuvor unlösbare Logik-Aufgaben gibt oder sie einfach ihre Erfahrungen in unkontrollierbaren Situationen erinnern lässt.

gepostet i. A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Whitson, J. & Galinsky, A (2008). Lacking control increases illusory pattern perception. Science, 322, pp.115-117

Tun oder Nichttun? – Was bereuen wir mehr?

In jeder Entscheidungssituation besteht die Möglichkeit, dass wir uns falsch entscheiden.
Gerade bei Entscheidungen unter Unsicherheit kommt es dabei häufig vor, dass wir uns von unserem ‚Bauchgefühl‘ leiten lassen. Wichtig für unser Bauchgefühl ist vor allem, wie es sich anfühlt, wenn etwas schief gehen würde: ‚Antizipiertes Bedauern‘ einer Entscheidung.

Oft genug entscheiden wir uns deshalb gegen eine Alternative: Weil wir uns die Folgen möglicher Weise so weitreichend und schlimm vorstellen, dass wir uns schlicht ’nicht trauen‘.

Ein Beispiel: Wenn ich Anna frage, ob sie mit mir ausgeht, sagt sie vielleicht ’nein‘. Sie könnte meine Avancen gemeinsamen Bekannten erzählen. Das wäre mir peinlich. Ich glaube, das würde ich lange bereuen. Ich frage sie besser nicht…
Ein anderes Beispiel: Die Investition in Papiere der HeadStart AG ist mit erheblichen Risiken und Unsicherheit verbunden. Das Geschäftsmodell ist allerdings innovativ und vielversprechend. Wenn ich jetzt kaufe, werde ich aber schlimmsten Falls sogar auf den Skiurlaub verzichten müssen. Was werden meine Frau und meine Kinder dazu sagen? Ich lasse es lieber, die Investition würde ich bereuen…

Antizipiertes Bedauern hat also eine zentrale Bedeutung für unsere Entscheidungen. Aber ist es auch angebracht? Was würde uns letztendlich mehr reuen? Etwas getan zu haben oder etwas unterlassen zu haben?

Fragt man die Menschen einige Zeit nach ihren Entscheidungen, was sie mehr bereuen, bekommt man einen interessanten zeitlichen Zusammenhang:

Kurzfristig bedauern wir falsche Entscheidungen für Taten mehr als Entscheidungen gegen bestimmte Handlungen. Haben wir etwas falsch gemacht, werden wir eben in der Regel unmittelbar mit den negativen Konsequenzen unserer Handlungen konfrontiert. Und genau das erwarten wir ja auch vorher beim ‚Antizipierten Bedauern‘.

Allerdings: Wenn Personen längerfristig auf ihr Leben zurückblicken, dann bereuen sie in der Regel Dinge, die sie nicht getan haben. Das berühmte „Ach, hätte ich doch…“ oder „Wenn ich nur damals…“ kennt sicher jeder. Mit der Zeit bereuen wir also Entscheidungen gegen Taten mehr.

Warum? Weil die möglichen Konsequenzen von Dingen, die wir nicht getan haben , unendlich sind. Es gibt immer neue Ereignisse im Leben, die anders hätten verlaufen können, wenn wir uns damals für X entschieden hätten. Das Bereuen von Nicht-Handlungen betrifft uns also für längere Zeit. Dafür ist es aber nicht so intensiv, wie das kurzfristige Bereuen von Handlungen, deren Konsequenzen wir erleiden müssen.

Das Leben ist Entscheiden. Wer sich in bestimmten Situationen nicht von objektiven Fakten leiten lassen kann, entscheidet oft aus dem Bauch heraus. Und zu oft dagegen. Weil die unmittelbaren Folgen oft mehr beachtet werden als die langfristigen. Oft genug kann man aber das Experiment wagen: Auch einmal über unmittelbare Risiken hinausblicken. Die Chancen sehen. Visionen entwickeln. Den Wert von Veränderung erfahren.

Und die langfristigen Folgen riskieren, die beim Unterlassen von bestimmten Handlungen auftreten könnten – ihnen denselben Raum lassen, wie den kurzfristigen Folgen unserer Entscheidungen.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Visionsmanagement = wichtigster Erfolgsfaktor

Wie wichtig Ziele und Vorstellungen für den eigenen Karriereerfolg sind, zeigt eine aktuelle Metaanalyse der Harvard University, die demnächst im Journal of Developmental Psychology veröffentlicht wird.

Die Studie belegt, dass die Vorstellung konkreter Lebens- und Berufsziele von Teenagern mehr zu deren Schulerfolg beiträgt als Hausaufgabenhilfe, Zwang oder Qualität der Lehre.

(Auf dem zweiten Platz hinter dem Visionsmanagement folgte übrigens der Transfer von Lernstrategien)

Die Analyse setzte am Beginn der Entwicklung konkreter Karrierepläne an: Im Jugendalter. Studien mit insgesamt über 50.000 14-16jährigen Schülern wurden mit einbezogen. Mit ca. 14 Jahren zeigen im menschlichen Gehirn diejenigen Gehirnareale einen Entwicklungssprung, die für analytisches Denken, Problemlösen, Planen und Entscheiden zuständig sind. Kindliche Träume und Wünsche von Beruf und Karriere können nun analysiert und logisch durchdacht werden.

Nancy E. Hill, Leiterin der Studie, stellt fest: „In diesem Alter beginnen sie [die Schüler] damit, Ziele, Überzeugungen und Motivationen zu internalisieren und all das zu ihrer eigenen Entscheidungsfindung zu benutzen.“ Im Erwachsenenalter setzen wir das fort, nur mit ungleich höherer Erfahrung.

Auch nach der Schulzeit hängen Karriere- und Unternehmenserfolg wesentlich davon ab, ob und welche Ziele und Visionen vorherrschen. „Advice about what to focus on helps students plan their long-term goals.“ resümiert Hill. Und die langfristigen Ziele wirken sich wiederum auf ihren Erfolg aus.

Ebenso verhält es sich im Unternehmen. Die Integration von persönlichen Visionen der Mitarbeiter mit einer anschaulichen Unternehmensvision ist vielleicht DER kritische Faktor für langfristigen Erfolg. Bindung an das Unternehmen, Arbeitsmotivation und wahrgenommener Gestaltungsspielrum steigen, Absentismus und Präsentismus gehen zurück. Effektive Kommunikation über Ziele und Visionen lohnt sich deshalb.

Voraussetzung für eine geungene Integration von Karriere- und Unternehmensvisionen sind theoretische Kenntnisse über Visionsmanagement, Kenntnis der Persönlichkeit der Mitarbeiter und praktisches Wissen über effektive Kommunikation.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Hill, N.E. et al. (2009). Tying education to future goals may boost grades more than helping with homework. Eurekaalert, public-release-date: 19-May-2009; http://www.eurekalert.org/pub_releases/2009-05/apa-tet051909.php

Bescheidenheit ist eine Zier…

…doch weiter kommt man ohne ihr? Weit gefehlt. Bescheidenheit wirkt.

Das belegen Prof. Blickle und seine Kollegen von der Universität Bonn in einer aktuellen Studie über Mentoring, Networking und Karriereerfolg. Sie befragten mehr als 300 Young Professionals über 3 Jahre hinweg hinsichtlich ihrer Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten, Persönlichkeitseigenschaften und Auftreten sowie der Rolle von Mentoren innerhalb ihres Unternehmens. Außerdem erhoben sie den Karriereerfolg, sowohl aus der Sicht der Berufseinsteiger (Arbeitszufriedenheit und subjektive Karrierechancen), als auch mit objektiven Kriterien (Gehalt und erreichte Position).

Das Ergebnis: Die eher bescheidenen Berufseinsteiger fanden leichter einen Mentor im Unternehmen als die lauten Selbstdarsteller. Mentoring wiederum war noch vor dem Networking der stärkste Karrierefaktor. Kein Wunder also, dass die Bescheidenen letztlich zufriedener mit der eigenen Karriere waren und zudem auch über höheres Enkommen und einen höheren Status zum Ende der Untersuchung verfügten.

Allerdings wirkt sich Bescheidenheit nur im Zusammenhang mit guten Leistungen so extrem förderlich auf die Karriere aus.

Und noch einen Punkt betonen die Autoren: Obwohl Mentoring der wichtigste Karrierefaktor ist, steht das Networking doch an zweiter Stelle. Bescheidenheit sollte also nicht mit Zurückhaltung verwechselt werden! Die Kombination von Aktivität, Extraversion, Offenheit und Bescheidenheit bezüglich eigener Leistung ist das Rezept für eine erfolgreiche Karriere.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Blickle, G., Witzki, A., Schneider, P. (2009). Mentoring support and power: A three-year predictive field study on protégé networking and career success. Journal of Vocational Behavior, 74 (2), pp. 181-189

Great Job!

Warum fühlen wir uns stolz, wenn wir etwas gut gemacht haben? Welche Funktion erfüllt Stolz? Und warum ist Stolz, genauso wie Dankbarkeit und Liebe, ein Schlüssel zum Glück?

Stolz ist eine ambivalente Emotion. Als kurzfristige Reaktion auf etwas, das besonders gut gelungen ist, wird Stolz selbst hierzulande von den Mitmenschen weithin akzeptiert. Eine bestandene Abschlussprüfung, ein Tor in letzter Minute, ein erfolgreicher Geschäftsabschluss – darauf kann und darf man stolz sein. Stolz als Persönlichkeitseigenschaft wird allerdings vom Umfeld eher negativ eingeschätzt – und als Arroganz, Hochmut oder Dünkel bezeichnet.

Dass Stolz immer mit einem kurzfristigen Hochgefühl einhergeht und dieses positive Gefühl auch ansteckend auf andere Menschen wirken kann, haben Sie sicher schon einmal erlebt. Und auch, dass mit Stolz auch eine erhöhte Selbstwirksamkeitserwartung kommt – das Gefühl, mit seinen eigenen Mitteln und Fähigkeiten noch mehr zu schaffen. Und genau das sind Funktionen des Stolzes: Selbstwirksamkeit zu steigern und gleichzeitig den anderen zu zeigen, dass man etwas kann, dass etwas geht. Fühlt man ehrlichen, aufrichtigen Stolz, gibt man in der Regel anderen Menschen die Chance, sich zu identifizieren: Sie freuen sich mit.

Die Annahme liegt nahe, dass sich Stolz auch positiv auf die Performance Einzelner (durch die erhöhte Selbstwirksamkeit) und die Leistung von Gruppen (durch die ‚Gefühlsansteckung‘) auswirkt. In der Tat zeigen Experimente der Northeastern Universitiy in Boston, dass Stolz zu besseren Leistungen und mehr Durchhaltevermögen führt.

Eine nützliche Emotion, die das Potential hat, das soziale Umfeld positiv zu verändern. Und zudem auch vom sozialen Umfeld leicht zu provozieren ist: Durch ehrlich gemeintes, wohlwollendes Lob.

Die Experimente der Northeastern University zeigen: Stolze Mitarbeiter sind in der Regel leistungsfähigere und leistungswilligere Mitarbeiter.

Great Job! Weiter so.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Williams, LA, Desteno, D (2008). Pride and Perseverance: The motivational role of pride. Jounal of Personality and Social Psychology, 94, pp. 1007-1017

„Entscheide mit heißem Herzen und kühlem Verstand“

Wann hatten Sie zum letzten Mal eine Idee über Nacht im Schlaf? Kam es schon einmal vor, dass Sie wirklich wichtige Entschlüsse morgens unter der Dusche oder Abends ganz entspannt bei einem Glas Wein getroffen haben, ohne dass Sie unmittelbar zuvor an das relevante Problem gedacht hatten? Waren diese Ideen fruchtbar und die damit verbundenen Entscheidungen letztlich richtig? Ist der oft gehörte Rat: „Schlaf eine Nacht darüber, dann entscheide dich!“ nun richtig oder falsch?

Die meisten Menschen bevorzugen es in vielen Situationen, sich vor wichtigen Entscheidungen abzulenken und sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Doch steigt mit der sogenannten ‚Inkubationszeit‘, einer Periode der Ablenkung und des Sich-setzen-Lassens von Informationen, auch die Entscheidungsqualität?

Davy Lerouge und seine Kollegen von der Universität Tilburg (Niederlande) sind der Frage nachgegangen, unter welchen Bedingungen eine kurzfristige Beschäftigung mit anderen Dingen zu besseren finanziellen Entscheidungen führt. Sie untersuchten insbesondere solche Entscheidungen, bei denen viele Informationen berücksichtigt werden müssen – wie es etwa bei strategischen ökonomischen und politischen Entscheidungen vorkommt. Oder auch bei wichtigen privaten Entscheidungen, zum Beispiel für ein neues Auto oder ein Haus.

In einer ihrer Studien sollten die Teilnehmer sich für ein Produkt aus einem Set ähnlicher Produkte entscheiden. Die eine Hälfte der Probanden bekam dabei die Instruktion, sich nur auf den Gesamteindruck der Produkte zu verlassen, während die andere Hälfte die Anweisung bekam, jede einzelne Produktinformation zu überdenken und bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Danach wurden die beiden Gruppen nochmals geteilt. Je die Hälfte der Versuchspersonen aus den Gruppen bearbeitete eine Zeit lang ablenkende Aufgaben, während die andere Hälfte unmittelbar entscheiden durfte.

Das Ergebnis: Die Entscheidungsqualität verbesserte sich nach der Beschäftigung mit anderen Dingen deutlich in der Gruppe, die die Entscheidung aufgrund des Gesamteindrucks traf.

Sollten die Teilnehmer ihre Entscheidung auf Grund vieler einzelner Informationen treffen, verbesserte sich die Entscheidung auch nach der Inkubationszeit nicht.

Entscheidet man also auf Grund des Gesamteindrucks einer Situation oder verschiedener Alternativen, sollte man seinem Bauchgefühl ruhig etwas Zeit lassen.

Viele wichtige Entscheidungen treffen wir letztlich auf Grund unseres Gesamteindrucks, weil wir oft gar nicht alle relevanten Informationen erhalten und manche Folgen nur schwer abschätzen können. Falls es uns erlaubt ist, sollten wir hier mit heißem Herzen und zusätzlich kühlem Verstand entscheiden – indem wir unseren Kopf eine Zeit lang abkühlen.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: http://www.eurekalert.org/pub_releases/2009-04/uocp-dtd042009.php– 7.0KB – Public Press Releases